(15.03.2008) Die Welt und Berliner Morgenpost

„Die Eröffnung des Modeladens ist eine gezielte Provokation“, sagt Mittes Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD). „Die Rechten wollen mit der Wahl dieses Standortes offenbar zeigen, dass sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Das weisen wir zurück“. Die Gegend um die Rosa-Luxemburg-Straße zählt mit ihren hippen Designerläden, Bars und Cafés zu den angesagtesten Vierteln der Stadt.

„Es gibt keinen Grund, dass ein solches Geschäft ausgerechnet in eine Gegend zieht, die für ihre junge kreative Szene bekannt ist“, sagt Meg Williams vom Modeladen „Immaculate Heart”. „Das bringt eine negative Stimmung in die Straße“. Wie viele andere Gewerbetreibende an der Rosa-Luxemburg-Straße hat auch die junge amerikanische Designerin einen Aufkleber der Anwohnerinitiative „Fashion goes Antifascism“ in ihre Tür geklebt: „Keine Nazis in unserer Mitte! Berliner Fashion-Labels sagen: Der neue Thor-Steinar-Laden muss weg!“
Es soll Aktionen geben, aber keine Gewalt

Die Geschäftsleute begnügen sich jedoch nicht mit dieser stillen Form des Protests. Bald soll in der Nähe des Thor-Steinar-Ladens ein Container aufgestellt werden, in dem über die Modemarke Thor-Steinar und über die jüdische Vergangenheit des Scheunenviertels informiert wird. Zusätzlich soll es auch noch kreative Formen des Protestes geben, über die sich die Anwohner allerdings in Schweigen hüllen. „Unser Konzept ist noch geheim“, sagt Rike Feuerstein, eine international bekannte Hutmacherin. Jedoch betont sie, dass der Protest der Kreativen nichts mit den gewaltsamen Aktionen zu tun habe, die es in der Vergangenheit gegen den umstrittenen Modeladen gegeben hatte: „Wir wollen uns nicht der Mittel bedienen, die man sonst nur von denen kennt“. Mit „denen“ meint Feuerstein die Neonazi-Szene.

Das Modegeschäft „Tønsberg“, das die umstrittene Mode vertreibt, ist bereits schwer gezeichnet. Das Glas der Eingangstür und das Schaufenster sind zerbrochen, die Fassade und die Gehwegplatten vor dem Geschäft sind mit Farbflecken übersät. In den vergangenen Wochen war der Laden wiederholt Ziel von Stein- und Farbbeutelattacken geworden.
„Solche Attacken weisen wir entschieden zurück“, sagt Bürgermeister Hanke, der es bedauert, dass dem Bezirk die Hände gebunden seien. „Das wichtigste, was wir machen können ist die Anwohner zu unterstützen“, so Hanke.
Der Mietvertrag ist gekündigt – aber die Mieter haben Widerspruch eingelegt
Am Donnerstagabend traf sich der Bürgermeister mit Anwohnern und Experten im Roten Salon der Volksbühne zu einem „Runden Tisch“, um über den weiteren Umgang mit dem umstrittenen Laden zu beraten. Auch der Vermieter des Geschäfts war durch seinen Anwalt vertreten. Nach Auskunft des Anwalts sei der Mietvertrag bereits gekündigt worden. Ob die Kündigung tatsächlich vollzogen werden kann, ist nicht sicher, da der Vertrag auf drei Jahre abgeschlossen wurde. Der Geschäftsinhaber hat aber gegen die Kündigung Widerspruch eingelegt.
Der umstrittene Modeladen hatte sich Anfang Februar an der Rosa-Luxemburg-Straße angesiedelt, nachdem er seine vorherigen Räumlichkeiten in der Nähe des Alexanderplatzes schließen musste. Dort hatte der Vermieter den Vertrag wegen des öffentlichen Drucks nicht verlängert. Auch in anderen Städten gibt es Proteste gegen das Modelabel. In Magdeburg und Leipzig kam es bereits zu Räumungsklagen. Auch in Mitte gibt es diese Hoffnung: „Hoffentlich hauen die bald wieder ab“, so ein Anwohner.

(Sebastian Eberle)

Zum Artikel bei welt.de

Zum Artikel bei morgenpost.de