Jungle World (23.08.2006)

“Bienvenue, Welcome, Benvenuti, Willkommen”. Freundlich wirkt das Banner auf der Homepage der Bürgerinitiative »Interessen­gemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger«. Ihr Hauptanliegen ist es, den Einzug der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in den dörflich geprägten Stadtteil zu verhindern.

Die Gemeinde hat inzwischen den Bauantrag für ihre Moschee bei den zuständigen Behörden eingereicht und dürfte sehr wahrscheinlich in den nächs­ten zwei Monaten einen positiven Bescheid erhalten. Doch Heinersdorfer Bürger, die CDU und Rechtsextremisten widersetzen sich dem Vorhaben. Die unappetitliche Liaison wird auf der Naziseite »Altermedia« als Comeback der seit Hoyerswerda »in Vergessenheit geratenen Lektion zivilcouragierten Bürgerprotests gegen staatlich angeordneten Überfremdungsdruck« gefeiert.

Im Frühjahr hatte die pogromartige Verhinderung einer Diskussionsveranstaltung mit den Vertretern der Moscheegemeinde den vorläufigen Höhepunkt der Kampagne gebildet (Jungle World, 14/06). »Jetzt erst recht!« lautet die Devise, nachdem vor zwei Wochen ein Molotowcocktail in das Kellerfenster der Wohnung von René Stadtkewitz, dem Pankower CDU-Vorsitzenden und Kandidaten des Wahlbezirks Heinersdorf für das Abgeordnetenhaus, geworfen worden ist.

Die Bürgerinitiative schien die Täter sofort ermittelt zu haben. In einem verleumderischen Pamphlet unterstellte sie, es könne kein Zufall sein, dass die Ahmadiyya-Gemeinde ihren Bauantrag am Tag des Anschlags auf den CDU-Vertreter abgegeben habe. Stadtkewitz selbst sah die Täter von der linken Szene »aufgehetzt«. Als Beispiel führt er die Antifas an, die am 27. August unter dem Motto »Den rassistischen Mob stoppen« und dem Bild eines auf­gehängten Gartenzwergs gegen die Heinersdorfer Zustände demonstrieren wollen.

Stadtkewitz ist der strammste Widersacher der geplanten Moschee. Auf der ersten Demonstration der Bürgerinitiative am 7. Juni, zu der fast 2 500 »Bürgerrechtler« aus dem ganzen Bundesgebiet anreisten, lief er, wie alle anderen Teilnehmer auch, unbekümmert zwischen bekannten Berliner Nazikadern. Für kurze Zeit gewann er sogar die Unterstützung des Berliner Spitzenkandidaten der CDU, Friedbert Pflüger. Während einer Wahlkampfveranstaltung in Heinersdorf hatte Pflüger beigepflich­tet: »Eine Moschee gehört nicht nach Heinersdorf.« Doch nach enorm schlechter Publicity erklärte er bereits kurz darauf, den Bau der Moschee notfalls eigenhändig schützen zu wollen.

In der vergangenen Woche rief Stadtkewitz den Bezirk auf, sich öffentlich von der Antifa-Demonstration zu distanzieren. Die Linkspartei und die Grünen wiesen den Vorschlag zurück, das Ergebnis einer Beratung der Pankower CDU zu diesem Thema am Montag war bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Die Einsicht, dass »Willkommen« nicht nur auf den Fußabtreter gehört, sondern im Rahmen der Imagepflege von Vorteil sein kann, zeigen die Heinersdorfer mit ihrem Internetauftritt. Von Fremdenfeindlichkeit distanziert sich die Bürgerinitiative explizit, und zumindest wenn es darum geht, Argumente gegen den Hauptfeind zu finden, verschreibt man sich dem Kampf gegen Antisemitismus. Neben der political correctness hat auch der Popfaktor an Einfluss gewonnen. Die bepisste Jogginghose als Markenzeichen der Bürgerwehr ist out; der stolze Heinersdorfer trägt mittlerweile ein als »Kult« gehandeltes T-Shirt mit der originellen Aufschrift »Du bist Heinersdorf«.

Heinersdorf ist zum Label der Moscheebaugegner geworden. Jedem, der sich nicht darunter subsumieren will, droht der Vorwurf, mit den Islamisten gemeinsame Sache zu machen. Platz für eine Kritik, die nicht rassistisch ist, scheint es nicht zu geben. Bewohner des Nordberliner Stadtteils, die nicht »Heinersdorf« sein wollen, findet man dagegen schon. »Eine beachtliche Anzahl von Leuten unter den neu Zugezogenen hält die Meinung zurück. Sie sind von der aggressiven Stimmung der Moscheebaugegner abgeschreckt«, sagt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechts, die seit einiger Zeit Interviewstudien im Be­zirk Pankow betreibt.

Die anderen aber führen sich als Wächter des Ostens auf, die ihr Territorium vor dem Einfall der Barbaren schützen, welche aus der Dorfidylle ein »Schlachtfeld der Extremisten« machen wollen, wie es in der Presse­erklärung der Bürgerinitiative nach dem Brand­anschlag auf das Haus von Stadtkewitz formuliert ist. Mit einer Postkartenaktion werden die Bezirksregierung, der Senat und die Bezirks­regierung von Reinickendorf, wo die Ahmadiy­ya-Gemeinde bisher ansässig ist, aufgefordert, dafür zu sorgen, dass sie dort bleibt, wo sie her­kommt: in Westberlin.

Die Heinersdorfer Bürgerinitiative stellt keineswegs eine singuläre Erscheinung dar. Man könnte fast von einer bundesweiten Bewegung von Moscheebaugegnern sprechen. »Bundesverband der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von Demokratie, Heimat und Menschenrechten« heißt die Dachorganisation dieser spezifischen Sorte von Islamismus-Kritikern. Auf ihrer Homepage finden sich neben Links zu den diversen Bürgerinitiativen Texte und Literatur­hinweise auf Islamismuskritiker von Matthias Küntzel bis Ayaan Hirsi Ali. Man findet eine krude Mischung aus richtiger Kritik an der Islamisierung und wahnhaften rassistischen Ängsten.

Auch praktische Handlungsanweisungen fehlen nicht. Nach den »Handreichungen für Moschee-Verhinderer« haben die Heinersdorfer bisher alles richtig gemacht. »Kleinstadt, Mitte der Gesellschaft und Wahlkampf« lauten die drei »Faktoren« für einen erfolgreichen Widerstand gegen unerwünschte Moscheen. Bereits im Dezem­ber vorigen Jahres sollen Stadtkewitz und sein Parteiverband Pankow-Nord versucht haben, das Votum gegen die Moschee ins Wahlkampfprogramm aufzunehmen, was jedoch misslang. Stadt­kewitz suchte sich andere Partner und wurde in der »Mitte der Gesellschaft« fündig: Der Arzt Heiner Fleck und der Pfarrer Andreas Kaehler verteilten fleißig Flyer an die Heinersdorfer mit der Überschrift »Moschee im Dörfli Nee«.

Doktor Fleck, ein älterer Herr, übernahm den Vorsitz der Bürgerinitiative, beschäftigte sich intensiv mit dem Islam und kam spätestens nach der Lektüre der umstrittenen Arbeit seiner Doktorkollegin Hiltrud Schröter über die Ahmadiyya-Gemeinde zu dem Schluss, dass mit dem Einzug der Moslems die Fatwa über Heinersdorf kommen würde.

Mittlerweile hat Joachim Swietlik den Vorsitz übernommen, der sich zwar von der rassistischen Demonstration »Gegen Überfremdung« am 20. Mai zunächst distanzierte, die Teilnahme von 500 Menschen im Nachhinein aber auf seiner Homepage als »vollen Erfolg« bezeichnete. Ein solches in den meisten Konflikten um den Neubau von Moscheen anzutreffendes, widersprüchliches Verhalten ist nur ein Anzeichen für eine noch populistischere Linie der Bürgerinitiative unter Swietlik.

(nada kumrovec)

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