Junge Welt (11.12.2006)

Mehr als 600 Menschen blockierten am Samstag für mehrere Stunden einen Neonaziaufmarsch sogenannter freier Kameradschaften und der NPD in Berlin. Rund 100 Rechtsextreme wollten unter dem Motto »Jugend braucht Perspektiven – für die Schaffung eines neuen Jugendzentrums« vom Stadtteil Treptow-Köpenick ins benachbarte Neukölln ziehen. Wie schon bei den Dezemberaufmärschen in den vergangenen drei Jahren forderten die Neofaschisten ein »Nationales Jugendzentrum« in Treptow. Die Polizei war mit rund 1000 Beamten im Einsatz und löste die Blockaden teilweise brutal auf.

Gegen den rechten Aufzug hatte ein breites Bündnis von Gewerkschaften, dem Bezirksamt Treptow-Köpenick, der »Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus« (MBR), Parteien, lokalen Initiativen, Kirchengemeinden und Antifagruppen mobilisiert. Insgesamt beteiligten sich rund 1000 Menschen an den Protesten.

Nicht nur in Berlin marschierten am Wochenende Neonazis auf. Rund 150 liefen am Samstag durchs niedersächsische Celle, begleitet vom Protest von mehr als 3000 Demonstranten. Unter den Antifaschisten gab es mehrere Verletzte durch Bisse von Polizeihunden und von den Beamten eingesetztes Reizgas. In Lübben demonstrierten rund 700 Menschen gegen das Treiben von knapp 100 Neonazis, die, von 700 Polizisten geschützt, durch die Kleinstadt zogen. Auch hier kam es zu unangemessenen Polizeiattacken gegen die Antifaschisten.

Bereits am Freitag abend marschierten rund 70 Rechte unbehelligt durch den Leipziger Stadtteil Gohlis. Drei Hundertschaften der Polizei schützten den Aufzug. Das örtliche Ordnungsamt hatte zuvor lediglich eine »Demonstration gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr« angekündigt, aber sowohl den Veranstalter als auch den rechtsextremen Charakter der Versammlung verschwiegen. Die Leipziger Antifagruppe (LeA) bezeichnete das Verhalten der Stadt als »skandalös und unverantwortlich«. LeA-Sprecherin Klara Naumann: »Die Stadt Leipzig hat Rassisten und Antisemiten einen unbehelligten Aufmarsch ermöglicht. Ihre Taktik war es, die Öffentlichkeit gar nicht erst in Kenntnis zu setzen. Das ist nicht nur undemokratisch, sondern kommt einer tätigen Unterstützung von Nazistrukturen gleich«. Durch die Polizei seien auch spontane Gegenproteste unterbunden worden. Gegen Jugendliche, die als »alternativ« eingeschätzt wurden, seien weiträumig Platzverweise ausgesprochen worden.

(Phillip Grünberg)

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