Frankfurter Rundschau (24.05.2006)

Politik und gesellschaftliche Gruppen sind beunruhigt über die Zunahme von Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund und die jüngsten Übergriffe auf Ausländer. Der Zentralrat der Juden in Deutschland befürchtet eine steigende Akzeptanz fremdenfeindlichen Gedankengutes.

Der vom Bundesinnenministerium vorgelegte Bericht zu rechtsextremer Gewalt und die Straftaten der vergangenen Wochen und Tage haben die Debatte über die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland neu belebt. Hinzu kommen Befürchtungen, dass es während der Fußballweltmeisterschaft zu derartigen Übergriffen kommen könnte. Der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hatte den Finger in die Wunde gelegt, als er Ausländer vor Besuchen in Brandenburg warnte und dafür zunächst heftigen Widerspruch erfuhr. Der Überfall auf den türkischstämmigen Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan ließ die Kritiker jedoch weitgehend verstummen.

Heye sieht sich in seiner Haltung bestätigt und will sich mit seiner Initiative “Gesicht zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland” verstärkt an Kindergärten und Schulen engagieren. Mehr Information sei auch bei der Erwachsenenbildung und Elternerziehung erforderlich. “Wir müssen die von den Neonazis mit ihrer Einschüchterung erzeugten Angst-Räume schließen”, sagte Heye. No-go-Areas dürfe es hier zu Lande nicht mehr geben. Dieser Auffassung ist auch der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der eine “allgemeine Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft” konstatiert.

Berlin sei nach wie vor eine “offene Metropole”, betonte Günter Piening, Senatsbeauftragter für Migration und Integration bei einer Pressekonferenz mit Vertretern antirassistischer Projekte. Man müsse die Stadt “mit den Augen der potenziellen Opfer wahrnehmen”. Almuth Berger, Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg, sieht das Problem “in der Mitte der Gesellschaft verankert”, quer durch alle Altersgruppen.
Die Bevölkerung nahm auch Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in die Pflicht: Gleichgültigkeit begünstige “die Dominanz der Rechtsextremen im öffentlichen Raum”. Die beginne bereits beim “alltäglichen Rassismus” wie Pöbeleien und diskriminierenden Sprüchen.

Das “zentrale Problem in Berlin” verortet CDU-Bürgermeisterkandidat Friedbert Pflüger nicht in der rechten Gewalt, sondern der allgemeinen Kriminalität. Dazu trage auch der hohe Ausländeranteil in der Hauptstadt bei. Im Hinblick auf die WM müssten die Rechtsextremen isoliert werden.

Antisemitische, fremdenfeindliche und rassistische Gedanken fänden “mehr und mehr Einzug in die Mitte der Gesellschaft”, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer. Täter mit Anzug und Krawatte seien viel gefährlicher als Glatzen mit Lederstiefeln. Es gehe nicht um einen möglichen Imageschaden angesichts der WM, sondern darum, sich einem jahrelang bekannten Problem entgegenzustellen.

Die katholische Friedensorganisation Pax Christi forderte die Bundesregierung auf, Projekte und Initiativen gegen rechts vor Ort dauerhaft zu unterstützen. Generalsekretär Reinhard Voß monierte, dass die politische Debatte wellenartig zwischen Verharmlosung und Skandalisierung verlaufe.

Haftbefehle aufgehoben

Nach dem Angriff auf einen Deutsch-Äthiopier an Ostern in Potsdam wurde der Haftbefehl gegen die beiden Tatverdächtigen aufgehoben. Das bestätigte die Bundesanwaltschaft am Dienstag. Der 37-Jährige war niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Der Übergriff auf einen Studenten aus Korea in Magdeburg war nach Polizeiangaben keine ausländerfeindliche Tat. Das hätten Aussagen von Zeugen und des Geschädigten ergeben. Auf einen Berliner Jugendclub wurde in der Nacht zum Dienstag ein Brandanschlag verübt und das Gebäude mit Hakenkreuzen beschmiert. Das Feuer richtete geringen Schaden an.

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