Murat Böyük steht im Fred-Perry-Laden in der Neuen Schönhauser Straße und schaut sich mit seiner Freundin die neue Schuhkollektion an. “Mir gefallen die Sachen”, sagt der 32-Jährige, dessen Eltern aus der Türkei stammen. “Schöne Farben, gute Qualität.” Dass Fred Perry mit der rechten Szene in Verbindung gebracht wird, habe er noch nie verstanden. Seiner Meinung nach tragen Rechte eher Springerstiefel und Bomberjacken. “Aber doch nicht Fred Perry!”
Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch sieht das anders. Er hat eine neue Dienstanweisung erlassen, die Zivilbeamten verbietet, im Dienst Kleidung zu tragen, die der rechten Szene als Erkennungszeichen für die Zugehörigkeit dienen. Begründet wird das damit, dass es dem Ansehen der Polizei schade, wenn Polizisten den Anschein erwecken, mit rechtem Gedankengut zu sympathisieren. Bei einer linken Demonstration im November haben Zivilbeamte Thor-Steinar-Kleidung getragen. Wer gegen die Anweisung verstößt, muss mit einem Disziplinarverfahren rechnen.
Neben Marken wie Thor Steinar und Consdaple, von denen auch der Verfassungsschutz sagt, dass sie von Rechten bevorzugt getragen werden, stehen Labels wie Fred Perry, Ben Sherman, Alpha Industries und Lonsdale auf der Verbotsliste des Polizeipräsidenten. Das sorgt nicht nur bei den betroffenen Firmen für Unverständnis und Ärger. Auch Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus kann Glietschs Auswahl nicht ganz nachvollziehen. “Die Intention begrüßen wir sehr, aber das Ergebnis ist weniger gut”, sagt er. “Fred Perry, Ben Sherman und Lonsdale haben sich sehr stark von der rechten Szene distanziert, sie haben dafür gesorgt, dass sie nicht mehr über den rechtsextremistischen Versandhandel vertrieben werden. Da ist es ungerechtfertigt, wenn man die jetzt in Zusammenhang mit Marken wie Thor Steinar bringt”, so Müller. In den 90er-Jahren seien diese Labels ebenso wie Alpha Industries von den Rechten vereinnahmt worden, weil jene damals noch keine eigenen Marken gehabt hätten. Manchmal geschah die Vereinnahmung auch aufgrund von Missverständnissen. Das Emblem, das die Poloshirts von Fred Perry ziert, halten viele für einen Eichenkranz. “Dabei sind das Lorbeerblätter”, sagt Axel Mosch, Vertriebschef von Fred Perry in Deutschland.
Inzwischen hätten die Rechten eine Vielzahl eigener Marken, die von Aktiven der Szene vertrieben und von der Szene bevorzugt würden, erklärt Müller. Diese Marken hätten oft einen nordisch-germanischen Bezug, Codes wie H8 (steht für “Heil Hitler”) oder 14 (Abkürzung für eine aus 14 Wörtern bestehende, rassistische Phrase eines amerikanischen Neonazis) spielten eine Rolle. Viele dieser Marken allerdings finden sich nicht auf der Liste des Polizeipräsidenten. “Wir hätten uns gewünscht, dass Herr Glietsch mit uns oder anderen Projekten gemeinsam eine Liste erarbeitet hätte”, sagt Müller.
Auch Eberhard Seidel, Geschäftsführer des “Schule ohne Rassismus”-Netzwerks, begrüßt Glietschs Verbot grundsätzlich, jedoch sei es zu weitreichend. Er bietet Schülern und Lehrern Fortbildungsseminare über den Umgang mit rechten Schülern an. “Am besten erkennt man rechte Schüler an ihren Gedanken”, sagt er. Die, die wirklich überzeugt seien, würden sich häufig unauffällig kleiden. Aber es gebe natürlich einschlägige T-Shirts mit Zahlenkombinationen oder Symbole wie Runen, an denen man Rechte erkennen könne.
Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, sagt, er halte das Verbot des Polizeipräsidenten für nachvollziehbar. “Allerdings wäre eine Differenzierung wünschenswert”, denn Labels wie Lonsdale würden rechtes Gedankengut scharf zurückweisen. Hertha BSC hat ein Stadionverbot für Fans, die rechte Label tragen, erlassen. “Wer mit einem Thor-Steinar-Hemd ins Stadion will, muss es entweder ausziehen oder draußen bleiben”, sagte der Fan-Beauftragte Donato Melillo. Marken wie Fred Perry oder
Ben Sherman sind dagegen nicht verboten. Diese werden auch in angesehenen Kaufhäusern wie dem KaDeWe verkauft. “Fred Perry gibt es in allen großen Kaufhäusern der Welt”, sagt KaDeWe-Sprecherin Petra Fladenhofer. Für sie habe die Marke eine internationale Reputation und würde außerdem gute Umsätze bringen, ebenso wie Ben Sherman.
“Man darf den Rechten Marken wie Fred Perry nicht überlassen”, meint Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen. Ein Verbot, Marken wie Thor Steinar oder Consdaple mit der Buchstabenfolge NSDAP zu tragen, sei aber zweifelsohne gerechtfertigt. Einen differenzierten Umgang vermisst auch CDU-Innenexperte Robin Juhnke: “Glietsch sollte sich besser vor seine Beamten stellen, als sie zu verdächtigen.”
(Thorkit Treichel, Anne Lena Mösken, Eva Dorothee Schmid)