(19.01.2007) Berlin-Pankow registriert rechtsextreme Gewalt

Öffentlichkeit und Bewusstsein schaffen

Das Wissen um rassistisch, rechtsextrem und antisemitisch motivierte Vorfälle und Angriffe im Großbezirk Pankow gehört für viele zum Alltag. In den vergangenen Jahren ist es immer wieder zu bergriffen gekommen. Einige davon sind an die Öffentlichkeit gekommen. Manche konnten durch das couragierte Eingreifen Anwesender vereitelt werden. Ein Großteil der rassistisch, antisemitisch oder rechtsextrem motivierten Taten werden jedoch nicht bekannt oder nicht als solche wahrgenommen.

Ziel dieses Registers, das zur Umsetzung des “Lokalen Aktionsplan für Demokratie und Toleranz – gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus” der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zusammengestellt wird, ist es, ein detailliertes Bild über das Ausmaß rechtsextremer Propaganda und Vorfälle im Bezirk Pankow zu bekommen, um damit politisch und öffentlichkeitswirksam arbeiten zu können. Durch die regelmäßige Auswertung und halbjährliche Veröffentlichung der erhobenen anonymisierten Daten soll für das Ausmaß rassistischer und antisemitischer Diskriminierung sensibilisiert und die Wahrnehmung durch direkte Mitarbeit möglichst vieler Organisationen, Personen, Einrichtungen und aller Beteiligten am Register geschärft werden.

Wo kann ich Vorfälle melden?

Anlaufstellen für das Register sind verschiedene Einrichtungen, Gruppen, Initiativen und Akteure, bei denen Betroffene und ZeugInnen Vorfälle melden und einen Fragebogen ausfüllen können. Genauere Informationen und Adressen kann man auf dem Informationsblatt des Projektes “Pankower Register” nachlesen.

Vorbildlich!

Vielleicht könnten sich auch andere Bezirke, Orte, Städte, engagierte Bürger dazu entschließen, so ein Projekt auf die Beine zu stellen. Denn wenn das Ausmaß rechtsextremer Gewalt vor Ort sichtbar gemacht wird, bewegt dies auch Menschen, die sonst lieber die Augen verschließen. Nur MUT!

Aus der Pankower Chronik 2006:

Januar bis März 2006

Über drei Monate wird ein Student aus Kamerun, der für eine Reinigungsfirma in einem Supermarkt in Prenzlauer Berg arbeitet, ausländerfeindlich schikaniert. Nachdem der Student eine Mitarbeiterin des Supermarktes gefragt hat, ob er Lebensmittel, die sonst weggeworfen werden, mitnehmen könne, erhält er alleine keinen Zutritt mehr zum Büro des Supermarktes, um es zu putzen. Er darf es nur noch in Anwesenheit zweier Mitarbeiter reinigen, die währenddessen lautstark darüber spekulieren, dass der Student stehlen würde. Wenige Tage später hängen 11 Zettel an Orten im Supermarkt, die der Student aus Kamerun reinigt, mit der Aufschrift “Nur noch 4 bis in 4 Wochen und tschüss”. Die Farce endet hier allerdings noch nicht …

14. Februar 2006

Am Vormittag stecken die NPD und die “Rechtsstaatliche Offensive” zusammen flächendeckend Faltblätter in die Briefkästen des Galenusviertels in Heinersdorf.

8. März 2006

20 Hakenkreuzschmierereien und SS-Runen werden in leer stehenden Häusern in der Charlottenburger Straße in Weißensee entdeckt und entfernt.

April 2006

In einem Wohnhaus nahe des Pankower Rathauses tauchen zum wiederholten Male Briefe mit ausländerfeindlichem und rassistischem Inhalt auf. Die Briefe hingen im vergangenen halben Jahr mehrfach im Treppenhaus und wurden darüber hinaus in einzelne Briefkästen gesteckt. Der Briefkasten einer Familie wurde gezielt fünfmal zerstört und ihr Türschloss dreimal verklebt.

25. Mai 2006

In der Schönhauser Allee wird gegen 15:40 Uhr ein Mann türkischer Herkunft von vier Männern getreten und geschlagen. Zuvor war seine Freundin norwegischer Herkunft aus der Gruppe von vier Männern heraus, die dem Äußeren nach der rechten Szene zuzuordnen sind, geschubst worden. Es gibt ein Handgemenge, in dessen Verlauf der Angreifer rassistische Parolen rufen. Der Geschädigte erleidet Prellungen an Kopf und Oberkörper und muss ambulant im Krankenhaus behandelt werden. Die Täter werden festgenommen.

9. Juni 2006

Gegen 21 Uhr wird ein alternativer Jugendlicher von zwei Männern in der Nähe des Freibades durch den Ortskern des Stadtteils Pankow gejagt. Der Jugendliche kann den Männern entkommen.

2. Juli 2006

In einem Wohnhaus im Vesalius-Viertel nahe des S-Bahnhofes Pankow-Heinersdorf wird auf dem Briefkasten eines Mieters ein Aufkleber entdeckt. Auf dem 4-farbig gedruckten Hochglanzaufkleber steht: “Get A Life – Become NS!”, sowie die Zeichnung eines vermummten Gesichts und eine “28” (Zahlencode für das in Deutschland verbotene “Blood & Honour2 Netzwerk).

24. August 2006

Am Abend belagern ca. 10 Rechtsextremisten die kommunale Jugendfreizeiteinrichtung “Kurt Lade Klub”. Die Mitarbeiter des Klubs rufen die Polizei. Bis zu deren Eintreffen haben die Täter sich bereits entfernt.

8. September 2006

Gegen 15 Uhr fährt ein Wagen der NPD über die Berliner Allee. Er ist mit NPD-Fahnen beflaggt und über Lautsprecher wird Wahlwerbung verkündet.

25. Oktober 2006

An einer Bushaltestelle im Stedingerweg in Prenzlauer Berg wartet ein Schüler mit Migrationshintergrund auf den Bus stadteinwärts. Als der Bus eintrifft, will der Schüler hinter einer Gruppe anderer Fahrgäste in den Bus einsteigen. Der Fahrer schließt jedoch direkt vor ihm die Türen und fährt los. Auf das Klopfen an der Tür und Rufen reagiert der Fahrer nicht. Nachdem der Bus abgefahren ist, geht eine ebenfalls wartende Passantin auf den Schüler zu und äußert ihr Unverständnis über das Verhalten des Busfahrers.

21. November 2006

An einer Grundschule im Ortsteil Pankow wird ein Junge dunkler Hautfarbe von mehreren Mitschülern mit Springseilen an einen Baum gefesselt. Dabei wird er mit weiteren Springseilen auf die Beine und Füße geschlagen und es werden rassistische Bemerkungen gemacht. Zusätzlich filmt einer der Schüler alles mit seinem Handy. Als eine Lehrerin den Vorfall bemerkt, schreitet sie ein und informiert die Schulleitung. Diese reagiert auf den Vorfall und ruft u.a. die Polizei. Die Polizei erstattet Anzeige.

19. Dezember 2006

Ein 28-jähriger wird von vier Männern im Alter von 20 bis 28 Jahren zu Boden geschlagen, bewusstlos getreten und beraubt. Er wird mit schweren Verletzungen in die Intensivstation eingeliefert. Die Täter sollen vor der Tat “Sieg Heil” gerufen haben. Sie werden festgenommen.

Mehr im Internet:
Die gesamte Chronik als pdf:

Pankower Chronik 2006

Die Netzwerkstelle [moskito]

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin

(Doreen Karger)

Zum Artikel bei mut-gegen-rechte-gewalt.de

Zum Lokalen Aktionsplan Pankow und zum Register bei www.mbr-berlin.de