(07.10.2009) junge welt

Nach Angaben der Polizei befanden sich im Lokal zu diesem Zeitpunkt rund 40 Gäste, die »überwiegend der rechten Szene zuzuordnen sind«. Kurz nach dem Anschlag stürmten die Besucher aus dem “Henker” auf ein Fahrzeug, in dem sie die Täter vermuteten. Das 28jährige NPD-Mitglied Enrico S. wurde dabei überfahren, erlitt lebensgefährliche Kopfverletzungen und mußte notoperiert werden. Derzeit liegt er im Koma.

“Zu den Tätern gibt es bislang keine konkrete Spur”, heißt es bei der Berliner Polizei. Es werde in allen Richtungen ermittelt. Nach Medieninformationen schließen die Beamten aber mittlerweile aus, daß die Attacke von Mitgliedern eines Rockerclubs inszeniert wurde: Beobachter vermuten, daß das Berliner Landeskriminalamt (LKA) den Vorfall nutzen will, um verstärkt linke Organisationen zu beobachten. Doch Antifa-Gruppen bestreiten, daß es sich bei der Tat um eine Aktion von Linken gehandelt hat. “Das hat weder was mit linksradikaler noch mit linker Politik zu tun, sondern ist als Mordversuch zu werten”, sagte Tina Böhm vom Antifaschistischen Bündnis Süd-Ost. Zwar richte sich die Arbeit der Antifaschisten auch gegen die Kneipe “Zum Henker”, doch Molotowcocktails, die auf Neonazis und ein Wohnhaus geworfen werden, gehörten nicht zum Repertoire, betonte Böhm.

Die Gaststätte gilt als regelmäßiger Treffpunkt der Kameradschaft “Frontbann 24”. Unabhängig von den Tätern komme der tief zerstrittenen Berliner Neonazisszene so ein hochemotionales Thema ganz gelegen, da es die internen Kämpfe in den Hintergrund dränge, so Böhm. Tatsächlich häufen sich unterdessen Drohungen gegen Antifaschisten. Im Fokus steht dabei vor allem Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. Noch am Abend des Anschlags, als knapp 250 Neonazis vor den “Henker” zogen, hetzte “Frontbann 24”-Mitglied Uwe D. gegen die Projektleiterin der Beratungseinrichtung. Im Internet rufen Neonazis unverhohlen zu Racheaktionen auf: “Wir werden kein Mittel außer acht lassen, tickende Zeitbomben wie Bianca Klose auf allen Ebenen zu bekämpfen”, heißt es auf einer Webseite Berliner Neonazis. “Die rechtsextreme Szene benutzt die Tat vom Wochenende als Vorwand, um jene einzuschüchtern, die sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus und für Demokratie einsetzen und dabei Gesicht zeigen”, so Klose.

Von Theo Schneider

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