(07.08.2012) Neues Deutschland: Wann ist ein Nazi kein Nazi mehr?

Lebensgefährte von Olympia-Ruderin Nadja Drygalla angeblich aus rechter Szene ausgestiegen
Weil sie einen Nazi als Lebensgefährten hat, verließ die Ruderin Nadja Drygalla das Olympische Dorf in London. Experten und Antifa sehen die jüngsten Ausstiegsbekundungen Michael Fischers mit Skepsis.

Ist er nun ausgestiegen oder ist er es nicht? In einem dpa-Interview sagte die Rostocker Olympia-Ruderin Nadja Drygalla, ihr Lebensgefährte, Michael Fischer, sei bereits im Mai aus der NPD und der rechten Szene insgesamt ausgestiegen. Michael Fischer kandidierte für die Rostocker NPD bei den Landtagswahlen 2011 und gilt als Kopf der gewaltbereiten Kameradschaft »Nationale Sozialisten Rostock«.

Nachdem verschiedene Medien über die Verbindung Drygallas zu Fischer berichtet hatten, zog sie vorzeitig aus dem Olympischen Dorf aus und findet sich nun Tag für Tag in den Schlagzeilen wieder. Im Gespräch mit der dpa distanzierte sie sich indes von extrem rechtem Gedankengut.

Die Angaben Drygallas bestätigte Fischer selbst am Montag im dpa-Gespräch. Es sei ein »schleichender Prozess« gewesen, sagte er der Agentur. Er sei vor den Olympischen Spielen »den Schritt gegangen, mit der Sache abzuschließen«, sei aus der Partei ausgetreten und habe auch »keinen großartigen Kontakt mehr zu Leuten, die damit zu tun haben«.

Doch stimmt das? Der letzte mit »Michael Fischer« signierte Beitrag im als rechtsextrem geltenden Internetportal »MupInfo« stammt vom 16. Juni. Fischer: »Im Nachhinein sieht das doof aus.« Die Folgen seiner Aktionen in der rechten Szene habe er für sich selbst bewusst in Kauf genommen, so Fischer weiter. »Daher würde ich nicht sagen, dass ich das bereue. Aber ich habe insbesondere Nadja nie einen Gefallen getan, insofern wäre es besser gewesen, wenn ich es nie gemacht hätte.«

»Der Ausstieg einer Szene-Größe wäre in Rostock sicherlich aufgefallen und Gesprächsthema gewesen«, heißt es im antifaschistischen Internetportal »Kombinat Fortschritt«, wo die Geschichte um Drygalla und Fischer zuerst veröffentlicht wurde. Doch beispielsweise Diskussionen und Anfeindungen, wie sie bei vergangenen Ausstiegen von Nazis bekannt wurden, finden sich im Fall Fischer nicht. Insgesamt erscheine Fischers Ausstieg »bei genauerer Betrachtung als wenig plausibel«, hieß es am Wochenende weiter. Noch im Mai war er zudem bei einem Aufmarsch aufgetreten.

»Man muss zwischen einem Rückzug und einem wirklichen Ausstieg unterscheiden«, sagte Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin auf nd-Anfrage. Das eine sei, keine Aufgaben mehr zu übernehmen und in den Hintergrund zu treten, weil das Nazi-Sein »schädigend« für die eigene Biografie sei. »Ein Ausstieg heißt für uns aber nicht nur eine deutliche Distanzierung von rechtsextremen Strukturen, sondern auch von rassistischen Positionen, ein Ablegen rechter Symbole und auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Täterrolle«, so Klose.

»Bis er uns überzeugende Belege für seinen Ausstieg liefert, betrachten wir ihn weiterhin als Neonazi«, hieß es beim »Kombinat Fortschritt« vor Fischers dpa-Interview. Ob dessen Bekundungen nun ausreichen, bleibt fraglich.

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