Wie überzeugt man junge Männer davon, ihre Bomberjacken auszuziehen? Ulrike Schnellbach sprach mit dem Politikberater Björn von Swieykowski über Mittel und Möglichkeiten im Kampf gegen den Rechtsextremismus.
BZ: Herr von Swieykowski, rechtsextremistische Gewalt hat in Deutschland 2007 wieder zugenommen. Kann man mit Bildung dagegen ankommen?
Swieykowski: Ich rate auf jeden Fall dazu, nicht nur repressiv, sondern auch präventiv mit Gewalt umzugehen. Es ist ganz wichtig, dass junge Menschen schon in Schule und Jugendarbeit mit Humanismus und Menschenrechten konfrontiert werden und dadurch die Möglichkeit haben, ein demokratisches Bewusstsein auszubilden. Deswegen ist es sinnvoll, auch mit Bildungsmaßnahmen rechtsextreme Gewalt zu bekämpfen. Es kommt aber darauf an, mit wem man arbeitet. Menschen, die schon ein festes rechtsextremes Weltbild haben, erreicht man nicht mehr. Man muss bei denen ansetzen, die noch nicht soweit sind, aber für das rechtsextreme Gedankengut empfänglich sind.
BZ: Wie sollte man die Bildung vermitteln.
Swieykowski: Man muss sich die Angebote der anderen Seite anschauen: Musik, Fußballturniere, Demonstrationen, teilweise Gewalttaten – alles Angebote, die Erlebnisse vermitteln. Die Ideologie kommt erst im zweiten Schritt. Damit konkurriert man. Das heißt: Man kann nicht einfach abstrakt Demokratie lehren, sondern man muss die Demokratie mit Leben füllen. Zum Beispiel, indem man im Jugendclub die Hausordnung aushandelt. Die Jugendlichen können so lernen, dass sie mehr davon haben, wenn sie sich auf Regeln einigen und eine gewisse Fairness an den Tag legen. An solch positives Erfahrungen kann sich ein demokratisches Bewusstsein koppeln.
BZ: Bei einem Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde rechtsextremen Straftätern und ihren Thesen sehr viel Raum gegeben. Man wolle, so die Begründung, so überhaupt erstmal ins Gespräch kommen. Ist das ein Erfolg versprechendes Vorgehen?
Swieykowski: Das kommt auf die Situation an. Wenn man die Leute erstmal reden lässt, bietet man Kadern, die sich besser ausdrücken können, eine Bühne für ihre Propaganda – das finde ich eher schwierig. Anders sieht es aus, wenn man langfristig arbeitet, zum Beispiel in einem Jugendprojekt oder in einer Ausbildungswerkstatt: Wenn der Betreuer einem Jugendlichen, der rechte Sprüche klopft, erstmal zuhört und auf ihn eingeht, ist das völlig richtig. So kann sich ein Vertrauensverhältnis entwickeln.
BZ: Welche anderen Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus würden Sie empfehlen?
Swieykowski: In der Arbeit mit rechts Orientierten geht es darum, sie aus ihrer extremen Erlebniswelt herauszuholen. Ein Jugendarbeiter hat mir mal von einer Gruppe mit rechtem Gedankengut sympatisierenden Jugendlichen erzählt, mit denen er ein altes Moped wieder flott gemacht hat. So bekamen die Jungen nebenbei eine kleine Mechanikerausbildung. Die haben daraufhin ihre Bomberjacken ausgezogen. Die rechtsextreme Szene war für sie nicht mehr interessant, sie hatten ein anderes Projekt, über das sie positive Erlebnisse hatten und ein Selbstwertgefühl entwickeln konnten.
BZ: Welche Programme gegen Rechts sind ihrer Erfahrung nach die erfolgreichsten?
Swieykowski: Ich bin selbst Teil der mobilen Beratungsteams, die es in allen neuen Bundesländern gibt, und ich halte die natürlich für sinnvolle Projekte. Wir beraten die Bürgermeister, die Jugendämter, die Lehrer. Genauso sinnvoll sind Netzwerkstellen, die versuchen, demokratische Projekte miteinander zu verkoppeln. Erfolge versprechend sind auch Projekte wie die einstigen DGB-Projekttage in den Schule – vor allem in Regionen, wo die rechten Kräfte ohnehin stark sind.
BZ: Was halten Sie von einem NPD-Verbot?
Swieykowski: Einserseits sollte man nicht immer nach dem Staat rufen; die Bürger sind selbst aufgefordert, etwas für eine demokratische Gesellschaft zu tun. Anderseits ist es unerträglich, dass eine Partei, die in ihrem Programm und in ihrem Verhalten so eine starke Ähnlichkeit zur NSDAP aufweist, Wahlkampfkosten erstattet bekommt und in den Parlamenten sitzt. Ein NPD-Verbot würde die rechtsextreme Szene sehr schwächen: durch Verluste der Mandate und vieler Geldquellen, des Parteivermögens und ihrer Immobilien. Aber auf Dauer hilft nur eine aktive Gesellschaft von demokratisch gesinnten Bürgerinnen und Bürgern.
(Das Interview führte Ulrike Schnellbach)
Der Artikel, der im Rahmen eines Themenschwerpunkts zum Thema Rechtsextremismus erschien, liegt bei badische-zeitung.de nur im Abonnentenbereich online vor. Die Veröffentlichung an dieser Stelle erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Ulrike Schnellbach sowie der Badischen Zeitung.