Beim Jobcenter hat sich Bianca Klose Ende letzter Woche per 1. Januar 2007 als arbeitssuchend gemeldet. Am Tag davor läuft die staatliche Förderung für die seit fünf Jahren bestehende »Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus« aus – für die anderen so genannten Civitas-Projekte ebenfalls. Kloses sieben Mitarbeiter werden sich in dieser Woche ebenfalls beim Jobcenter vorstellen. Alle acht haben sich sechsdreiviertel Stellen geteilt.
Wie Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) sagt, betrifft das Auslaufen besagter Bundesförderung vier lokale Projekte in der Stadt, die dadurch akut bedroht seien. Die Finanzierung – insgesamt 330 000 Euro pro Jahr – haben sich bislang Bund und Land geteilt. Berlin könne aber den Fehlbetrag nicht ausgleichen, so Knake-Werner. Sie sieht die Bundesregierung weiter in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Hinweise der märkischen SPD-Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein darauf, dass es ein halbes Jahr lang eine Nachlauffinanzierung geben werde und die Projekte sodann in ein neues Bundesprogramm dauerhaft integriert würden, beurteilen die Mitarbeiter der »Mobilen Beratung« eher skeptisch. Offenbar will man lediglich die derzeitige Debatte über dieses Thema vom Tisch bekommen, meint Bianca Klose.
Nach Knake-Werner ist die Arbeit der Projekte unabdingbar, weil sie geholfen haben, jene Strukturen zu stärken, die der braunen Szene engagiert etwas entgegensetzen. Klose und ihre Mitstreiter beraten nämlich in professioneller Weise Kommunalpolitik, darunter Bezirksbürgermeister und Verwaltung, aber auch Jugendklubs, Schulen und einzelne Bürger, sofern sie es wünschen, wie im konkreten Fall mit dem Problem Rechtsextremismus umgegangen werden kann.
Man entwickelt Handlungsstrategien für die anwohnende Bürgerschaft, beispielsweise, wenn irgendwo ein Nazi-Laden öffnet. Die »Mobile Beratung« begleitet den Protest der Bürger, hilft, eine entsprechende Initiative zu gründen, überlegt gemeinsam, mit welchen verschiedenen Schritten die Öffentlichkeit sensibilisiert werden könnte, etwa mit Kiezspaziergängen, organisiert Diskussionsveranstaltungen oder ein Fest in der Straße, in der sich der Laden befindet. Ziel ist es auch, Bürger aus einer gewissen Isolation zu holen und so dabei mitzunehmen, sich für demokratische Werte zu engagieren, erläutert Klose.
Anders als Sicherheitsgremien befasst man sich aber nicht mit Straftaten und Gewalt oder gar der Bekehrung der braunen Täter – dafür gebe es Polizei oder Aussteigerprogramme. Längst hat es sich herumgesprochen, dass kaum jemand über genauere Kenntnis rechtsextremistischer Entwicklungen in bestimmten lokalen Sozialräumen verfügt als die »Mobile Beratung«. Und das weiß freilich die Politik in den Stadtbezirken überaus zu schätzen.
Seit nach den jüngsten Wahlen NPD und Republikaner in fünf Bezirksparlamente eingezogen sind, klingeln bei der »Beratung« nahezu unentwegt die Telefone. Der Beratungsbedarf hat eine zusätzliche Richtung bekommen, nämlich was und wie etwas zu tun ist, wenn sich Neonazis als vermeintlich demokratische Partei inszenieren oder die BVV als Plattform nutzen wollen, rassistische Parolen zu verbreiten, meint Klose.
Jetzt die Civitas-Projekte einzustellen, wo sich braunes Gedankengut nahezu berlinweit in Stimmengewinne umgeschlagen hat, erscheint Bianca Klose irrwitzig. Weil ja beispielsweise auch niemand auf den Gedanken kommt, die Polizei abzuschaffen, wenn die Kriminalität ansteigt.
Man hoffe nach wie vor, dass sich die Politik besinnt. Die Finanzierung zu beenden, bedeute auch ein fatales Signal an die Opfer rechtsextremistischer Gewalt. Einzig und allein die braune Szene hätte einen Nutzen davon, sagt Bianca Klose.
(Rainer Funke)