Frau Lehnert, woran erkennt man eine rechtsextreme Frau?
Das ist schwierig zu sagen, weil ganz viele von ihnen äußerst bürgerlich auftreten. Es gibt natürlich schon eine Reihe von rechtsextremen T-Shirts, die werden auch von Frauen getragen. Beliebt ist das Symbol der Triskele (dreiarmiges Hakenkreuz). Was wir außerdem – im straßenkämpferischen Milieu – in letzter Zeit verstärkt beobachten, sind dreifach gefärbte Haare: schwarz-weiß-rot. Aber es gibt bestimmt auch Frauen, die das tragen, die gar nicht wissen, dass das gerade schick ist bei den Nazifrauen.
Im März erregte eine Studie des Kriminologischen Instituts Niedersachsen Aufsehen, derzufolge 14,4 Prozent der deutschen Jugendlichen „sehr ausländerfeindlich“ sind. Wenn diese Zahlen stimmen, dann würde das einen signifikanten Anstieg der Ausländerfeindlichkeit unter Jugendlichen bedeuten. Welchen Anteil haben die Mädchen und Frauen daran?
Ich halte diese Zahlen durchaus für realistisch. Was den „weiblichen Anteil“ betrifft, so ist es allerdings so gut wie unmöglich, verlässliche quantitative Aussagen zu machen, weil Mädchen und Frauen ganz lange so gut wie gar nicht wahrgenommen wurden von den Beobachtern der Szene, man also keine Vergleichszahlen hat.
Was wir aber auf alle Fälle feststellen können, ist, dass die rechtsextremen Jugendkulturen viel pluraler geworden sind, das heißt, die Bandbreite für Jugendliche ist viel größer als früher – vom Habitus, vom Style, vom Aussehen und auch von den Inhalten her. Allein dass die Szene sich wegbewegt hat von dieser sehr stark männliche dominierten Skinheadoptik, hat sie für die Mädchen interessanter gemacht. Es gibt einfach viel mehr Einstiegsmöglichkeiten.
In einem aktuellen Verfassungsschutz-Bericht heißt es, dass auch die Szene selbst den Frauen vermehrt Bedeutung zumisst. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Was die NPD betrifft, so gehen wir davon aus, dass bestimmte Formen von Modernisierung nachgeholt werden. Und eine wichtige Form der Modernisierung ist natürlich die Auseinandersetzung mit dem Thema Frauen.
Auf der anderen Seite haben auch die NPD-Frauen selber erkannt, dass es wichtig ist, sich in reinen Frauengruppierungen zu organisieren und zu versammeln, um innerhalb der Partei und der Szene mehr erreichen zu können.
Widerspricht diese Emanzipation nicht dem konservativen Frauenbild der rechtsextremen Szene?
Die NPD-Frauen verstehen sich ja nicht als Emanzen, ganz im Gegenteil: sie grenzen sich stark von „linken Emanzenvereinen“ ab. Das tut ihnen nicht weh, es ist anschlussfähig und es zeigt den Männern in der Partei, in der Bewegung auch: Wir sind anders, aber wir wollen nicht an euren Vormachtstellungen kratzen, wir wollen nicht daran kratzen, dass die Welt natürlich biologistisch zweigeteilt ist.
Dann handelt es sich also doch nicht um eine Emanzipations-Bewegung?
Emanzipation nicht im „klassischen“, demokratischen Sinn, da auch das Engagement rechtsextremer Frauen hochgradig rassistisch ist. Es muss jedoch konstatiert werden, dass sehr wohl auf „emanzipatorische“ Methoden zurück gegriffen wird. So geht es dem Ring nationaler Frauen (RNF) zum Beispiel, der offiziellen Frauenorganisation der NPD, die im Herbst 2006 gegründet worden ist eindeutig darum „nationale“ Frauen zu empowern. Rechtsextreme scheuen sich nicht Methoden zu verwenden, die in sozial progressiven emanzipatorischen Bewegungen entwickelt worden sind. Beispielsweise das Mentorinnenkonzept: ältere, gestandenere Frauen innerhalb der Szene haben Vorbildfunktion, sie nehmen die jüngeren Frauen an die Hand. Das ist im Prinzip eine Idee aus der zweiten deutschen Frauenbewegung in den siebziger Jahren.
„Frauen in der Szene gelten als ideologisch gefestigter als ihre Kameraden“, haben Sie unlängst im Rahmen einer Konferenz zum Thema „Frauen und Rechtsextremismus“ gesagt…
…das formuliere ich gerne so zugespitzt. Mir geht es mit dieser Aussage in erster Linie darum, dem weit verbreiteten Vorurteil, dass Frauen grundsätzlich als Anhängsel oder Freundin von xy in die Szene kommen etwas entgegen zu setzen.
Die wenigen Forschungen, die es zu dem Thema gibt, weisen darauf hin, dass die Frauen, die sich für einen Einstieg in die Szene entscheiden, meistens ideologisch sehr gefestigt sind – dass es also weniger das Action-Moment ist, das bei jungen Männern häufig eine sehr große Rolle spielt, sondern bei Frauen eben viel eher die politische Überzeugung.
Gibt es Erhebungen über den durchschnittlichen Bildungsgrad rechtsextremer Frauen?
Nein. Aber die Frauen, die in der rechtsextremen Szene als Protagonistinnen unterwegs sind, die sind alle sehr gebildet. Im Prinzip ist es so wie gesellschaftsweit auch: wenn Frauen so weit kommen wollen wie Männer, dann müssen sie in der Regel mehr drauf haben. Die Frauen, die da vorne stehen, konterkarieren also das Bild des tumben Schlägertypen, das vielen beim Begriff „Neonazi“ sofort einfällt.
Die Frauen als gesellschaftsfähige Neonazis?
Ja. Und darin liegt eine große Gefahr: Neulich habe ich zum Beispiel in einem rechtsextremen Forum den Beitrag einer Mutter gelesen, die schrieb, wenn man sich in der Elternarbeit einbringen wolle, dann sei es wichtig, dass man anfänglich keine nationalen Themen bemühe, nicht über Politik rede. Die Strategie funktioniert also so: Über das Knüpfen von sozialen Bindungen werden nach und nach rechtsextreme, rassistische und antisemitische Inhalte transportiert.
In dem Moment, wo ich die Frau xy als engagierte Mutter kennengelernt habe, fällt es mir viel schwerer, zu akzeptieren, dass ihre Äußerungen darauf hindeuten, dass sie kein demokratisches Bewusstsein hat.
Diese Gefahr der „schleichenden Bekehrung“ ist umso größer deshalb, weil die breite Gesellschaft immer noch stark patriarchalisch geprägt ist, also eine genaue Vorstellung davon hat, was gefährlich ist: Das ist eine bestimme Art von männlicher Gewalt, die nichts mit dem zu tun hat, was die Frauen da anrichten.
Welche politischen Themen werden von den rechtsextremen Frauen aufgegriffen?
Oft werden große Themen gegendert: Zum Beispiel werden die Frauen beim Thema Zuwanderung besonders in die Pflicht genommen, als „Bewahrerinnen der weißen deutschen Rasse“. Rassistische Stereotype werden vor allem gegenüber Frauen geäußert, immer wieder grenzt man sich zum Beispiel gegen muslimische Frauen ab.
Ein anderes großes Thema ist die Familienpolitik mit der Forderung „Müttergehalt statt Elterngeld“. Und was immer wieder zum Stimmenfang benutzt wird, ist die populistische Forderung nach einer „Todesstrafe für Kinderschänder“.
Wie kann man junge Frauen, die gefährdet sind, in die rechtsextreme Szene abzurutschen, davor bewahren?
Grundsätzlich ist es wichtig, auch Mädchen eine politische Überzeugung zuzutrauen. Es wird einfach häufig davon ausgegangen, dass Mädchen und Frauen keine eigene politische Überzeugung haben, dass sie, wenn sie sich überhaupt politisch äußern, auf jeden Fall von ihrem Freund beeinflusst worden sind. Deswegen werden rechtsextreme, rassistische und antisemitische Äußerungen von Mädchen als Anzeichen einer politischen Radikalisierung häufig nicht ernst genug genommen.
Wenn das vorausgesetzt werden kann, dann muss an den Widersprüchen gearbeitet werden. Den Jugendlichen muss gezeigt werden, dass die Propaganda und die Wirklichkeit in vielem nicht übereinstimmen. Das kann man sehr gut am Frauenbild der rechtsextremen Szene demonstrieren.
Ein anderer Ansatz ist, das Interesse an demokratischen Prozessen bei den Jugendlichen zu stärken – auch bei denen, die zunächst nicht gefährdet zu sein scheinen.
Ein NPD-Verbot würde der Bewegung ihre umstrittene rechtsstaatliche Legitimation nehmen. Könnte das für die Frauen, die für eine „rechtsextreme Normalität“ stehen, zum Ausstiegsgrund werden?
Es ist schon so, dass es für eine Reihe von Frauen eine Rolle spielt, dass die NPD eine Partei ist, die sich als „normale Partei“ geriert. Und natürlich sind wir generell für ein Verbot. Aber das alleine reicht nicht. Denn an den Einstellungen ändern wir damit zunächst gar nichts.
Welche Handlungsansätze empfehlen Sie der Politik, abgesehen von einem NPD-Verbot?
Ganz wichtig ist die Arbeit an den staatlichen Aussteigerprogrammen, die bisher alle nicht gender-orientiert funktionieren. Ein entscheidendes Kriterium in diesen Programmen ist nämlich die Straffälligkeit – nur jemandem, der innerhalb der Szene straffällig geworden ist, kann beim Ausstieg geholfen werden. Da das auf die wenigsten Mädchen und Frauen zutrifft, fallen sie hier wieder mal unter den Tisch.
Wir fordern also zum einen, auch Frauen, die sich von der Szene distanzieren, ohne straffällig geworden zu sein, als Aussteigerinnen in die Programme aufzunehmen – zum anderen, dass die Programme generell mehr auf die Belange und Bedürfnisse von Frauen ausgerichtet werden, um auch Aktivistinnen und Protagonistinnen der Szene zum Ausstieg motivieren zu können.
Vielen Dank für das Gespräch!
(Das Interview führte Sophie Diesselhorst)