Der Politikwissenschaftler Roland Roth (Fachhochschule Magdeburg-Stendal) nannte es eine “neue Strategie”, dass sich Rechtsextreme von rechtsextremer Gewalt distanzierten. Ein Beispiel sei der Überfall rechtsextremer Jugendlicher (14 bis 19 Jahre) auf einen im Kinderheim lebenden zwölfjährigen, aus Äthiopien stammenden Jungen in Pömmelte bei Magdeburg. Als im Ort ein “Runder Tisch” zusammengetreten sei, um Folgen zu beraten, hätten fünf unauffällig gekleidete Jugendliche als “Initiative gegen Gewalt” Einlass begehrt und sich von “dieser Schweinerei” distanziert. Aber man habe sie dort als Rechtsextreme aus der Landeshauptstadt erkannt.
Beobachter des Rechtsextremismus aus Politik und Wissenschaft berichteten in Berlin von ganz “bürgerlichen” Aktivitäten Rechtsextremer: In Schöna (Südostsachsen) habe die NPD ein Bürgerbegehren gegen die Eingemeindung des Ortes ins nahe Bad Schandau organisiert.
In Berlin gingen Rechtsextreme in Bürgersprechstunden von Verwaltungen und Abgeordneten, tauchten auf SPD- und PDS-Veranstaltungen auf oder versuchten, mit “seriösem” moderaten Auftreten die Teilnehmer zu verunsichern. In Berlin kopierten sie zudem bewusst linke Symbole und gäben sie als ihre aus.
Ein Herr Hoffmann kauft ein Schloss
In Kohren-Salis bei Leipzig habe ein Karl-Heinz Hoffmann das Schloss des Ortes, einst ein Rittergut, erworben. Niemand habe geahnt, dies könnte der 1984 zu Haft verurteilte “Chef” der 1980 verbotenen “Wehrsportgruppe Hoffmann” sein. Die dem Bund gehörende “Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft” habe einem Neonazi ein Gebäude als Heim für Russlanddeutsche verkauft.
Zur neuen Strategie Rechtsextremer gehöre auch, gewalttätigen Rassismus zu verleugnen. So versuchten sie, die Hürde Gewalt zu überwinden. Damit gebe es im rechtsextremen Milieu jetzt ein Nebeneinander von Gewaltabsage und Gewalttaten.
Die Aggressionen gingen weiter, betonte der Politologe Roth; rechtsextreme Angriffe auf Ausländer hätten nicht nachgelassen. An der Kleidung aber könne man Rechtsextreme kaum noch erkennen. Symbole würden immer verhaltener gebraucht – ein Versuch, die kulturelle Zugangsschwelle zum eigenen Lager zu senken. Rechtsextreme gäben sich als “die wahren Biedermänner”, als Wahrer bestehender Ordnungen und als bürgernah, wie das NPD-organisierte Bürgerbegehren gegen den Zusammenschluss zweier Kommunen zeige.
Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, die vor allem gegen rechtsextreme Aktivitäten im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick kämpft, warnte, von Rechtsextremen besetzte “Angsträume” ihnen zu überlassen. Gerade an solchen Angsträumen veranstalte man in dem Berliner Bezirk “Feste für Demokratie”, berichtete Klose. Sie lobte die politisch Verantwortlichen, die sich stets solidarisch mit den Opfern rechter Gewalt zeigen würden.
(Karl-Heinz Baum)
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