Mehr als 250 Menschen nahmen gestern an dem ersten zivilgesellschaftlichen Hearing zu den Folgen der rassistischen
NSU-Mord- und Anschlagsserie unter dem Motto„Schweigen und Verschweigen:
NSU, Rassismus und die Stille im Land“ in der Akademie der Künste in Berlin teil. „Die Verletzten des NSU-Nagelbombenattentats in der Kölner Keupstrasse vor fast genau acht Jahren kämpfen noch immer im Alltag mit den Folgen und den Erinnerungen an den rassistischen Mordanschlag,“ sagte Kutlu Yurtseven, Bewohner der Keupstrasse zum Zeitpunkt des NSU-Attentats am 8. Juni 2004 und Sänger der Band „Microphone Mafia“ beim Hearing. Dadurch, dass die Polizei jahrelang gegen Bewohner der Straße ermittelte – u.a. mit fünf verdeckten Ermittlern – sei ein Klima des Misstrauens entstanden, dass die Verletzten und Traumatisierten der dringend benötigten Unterstützung beraubt habe.
Der britische Jurist Dr. Richard Stone, Mitglied der Stephen Lawrence Untersuchungs-kommission, machte deutlich, dass es einer kontinuierlichen zivilgesellschaftlichen Kontrolle von Polizeiarbeit bedarf, um Veränderungen in Bezug auf rassistische Praktiken bei den Strafverfolgungsbehörden zu erreichen.
Zu den weiteren ReferentInnen des Hearings gehörten u.a. der Publizist Imran Ayata, die NSU-NebenklagevertreterInnen Edith Lunnebach und Yavuz Narin, der Geschäftsführer des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck sowie die RechtsextremismusexpertInnen Kati Lang (Opferberatung der RAA Sachsen), Ulli Jentsch (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum e.V.) und David Begrich (Miteinander e.V.).
Begleitend zum Hearing veröffentlichte das „Bündnis gegen das Schweigen“ eine Resolution mit konkreten Forderungen zur Aufklärung der Hintergründe der rassistischen NSU-Mord- und Anschlagsserie. Zu deren ErstunterzeichnerInnen gehören u.a. Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Stefan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, der Berliner Integrationsbeauftragte Günther Piening sowie die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth, Heilgard Asmus, Generalsuperintendentin und Vorsitzende des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und die Publizistin Mely Kiyak.
Zentrale Forderungen der Resolution sind u.a. die umfassende Aufklärung aller Hintergründe der rassistischen NSU-Mord- und Anschlagsserie, personelle und strukturelle Konsequenzen in den Reihen der zuständigen Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden, die umfassende Entschädigung aller Angehörigen und Hinterbliebenen des NSU-Terrors sowie ein Bleiberecht für alle Opfer rassistischer Gewalt in Deutschland. Darüber hinaus fordern die ErstunterzeichnerInnen die Einrichtung einer Unabhängigen Beobachtungsstelle zur Begleitung der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse und der bevorstehenden Strafverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des NSU-Netzwerks. Die vollständige Resolution und die Liste der ErstunterzeichnerInnen auf www.buendnis-gegen-das-schweigen.de
Eine Dokumentation des Hearings wird in Kürze auf www.buendnis-gegen-das-schweigen.de veröffentlicht. Dort kann auch die Resolution online unterschrieben werden.