Berliner Zeitung (09.10.2006)

Einer für alle gegen die NPD

SPD gibt Bezirksverordneten Tipps zum Umgang mit Rechten

In gut zwei Wochen konstituieren sich die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV), zum ersten Mal sind in Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Neukölln Vertreter der NPD dabei. Wie soll man mit der NPD umgehen, wie mit den Republikanern, die in Pankow den Sprung in die BVV geschafft haben? Alle Parteien schulen in diesen Tagen ihre Bezirksverordneten, verteilen Informationsmaterial oder laden zum Gespräch mit den Experten der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Am Freitagabend trafen ich rund 30 Bezirksverordnete aus den fünf Bezirken in der SPD-Parteizentrale zu einem ersten Seminar.

“Mir hat’s was gebracht”, sagte der 20-jährige Alexander Freier aus Treptow-Köpenick anschließend. Es sei wichtig, von den Erfahrungen der anderen zu lernen, Tipps von den Experten zu bekommen. Beispielsweise den, dass auf eine Rede eines NPD-Politikers nicht die Vertreter aller Parteien, sondern nur einer für alle anderen Parteien antworten sollte. “Die demokratischen Parteien müssen geschlossen auftreten”, sagte auch der 18-jährige Vincent Kiefer. Er ist zwar nicht Bezirksverordneter, engagiert sich aber in der Lichtenberger SPD gegen Rechts.

“Die NPD bekommt eine Antwort, aber es gibt nur eine Antwort”, bestätigt Ingo Siebert vom SPD-nahen August-Bebel-Institut den Ratschlag, den er und andere Experten den BVV-Mitgliedern gegeben haben. Es müsse verhindert werden, dass die NPD den Alltag in der BVV bestimmt. Siebert lehnt es ab, die NPD nur “formal abzukanzeln”, wichtig sei es, die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei zu führen.

Dass die NPD sich nach einigen wenigen BVV-Sitzungen zurückziehen wird, das schließen die Experten aus. “Berlin hat als ehemalige Reichshauptstadt für die NPD eine besondere Bedeutung”, sagte Esther Lehnert vom Mobilen Beratungsteam. Die Bezirksverordneten müssten sich auch darauf einstellen, dass die NPD die konstituierende Sitzung am 26. Oktober nutzen werde, um besonders auf sich aufmerksam zu machen.

Um den rechten Parteien die Bezirke nicht zu überlassen, wurde den BVV-Mitgliedern geraten, künftig mehr präsent zu sein. Sie sollen auch zwischen den Wahlen Infostände machen, sich um Jugendclubs oder Sportvereine kümmern. “Die Sozialräume müssen besetzt werden”, sagte der 42-jährige Sebastian Fischer, BVV-Mitglied in Marzahn-Hellersdorf.

In den nächsten Wochen lädt die Berliner SPD zu einem weiteren Informationsabend ein. Barbara Loth, stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und Mitglied der Verhandlungskommission während der Koalitionsgespräche mit der Linkspartei.PDS, will außerdem den Runden Tisch gegen Rechts zu einer festen Einrichtung in den nächsten fünf Jahren machen. Dieser war auf Initiative der Grünen während des Wahlkampfes eingerichtet worden. “Wir brauchen einen solchen Runden Tisch”, sagte Loth. Außerdem setzt sie sich für das von der PDS geforderte Landesprogramm gegen Rechtsextremismus ein. Auch das ist ein Thema in den Koalitionsverhandlungen.

“Es ist wichtig, Erfahrungen auszutauschen”, sagte Ex-Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD). Sie wird voraussichtlich Bezirksbürgermeisterin in Treptow-Köpenick. Ihr raten die Experten: “Die demokratischen Parteien sollen sich über die Fraktions- und über die Bezirksgrenzen hinaus absprechen, offen und transparent, nicht hinter verschlossenen Türen.”

(Christine Richter)

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