(30.07.2009) NDR Online

Ricarda Rieflings Stimme überschlägt sich fast, während sie diese Sätze ins Mikrofon brüllt. Ihre Zuhörer sind Hunderte Neonazis aus ganz Norddeutschland. Die 27-Jährige aus der südniedersächsischen Kleinstadt Coppengrave ist eine der Vorzeigefrauen der norddeutschen Neonazi-Szene.

Gefragte Einpeitscherin

In Bad Nenndorf hat Riefling seit ein paar Jahren immer wieder Anfang August ihren größten Auftritt. Denn in der niedersächsischen Stadt steht das sogenannte Wincklerbad. Britische Besatzungstruppen nutzten dieses Bad unmittelbar nach Kriegsende als Internierungslager für Wehrmachtsangehörige und mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher. Neonazis aber deuten die Geschichte in ihrem Sinne um: Sie sprechen von einer Folterstätte, in der aufrechte Deutsche gequält und misshandelt worden seien. Im vergangenen Jahr waren rund 500 Rechtsextremisten diesem Aufruf zum “Trauermarsch” gefolgt. In diesem Jahr dürften es nicht viel weniger werden. Die einpeitschenden Worte von der dreifachen Mutter sind diesem Publikum hochwillkommen.

“Ausgesprochen schillernde Figur”

Ricarda Riefling ist bei Niedersachsens Verfassungsschützern seit Langem bekannt. Der Präsident der Behörde in Hannover, Günter Heiß, bezeichnet sie als “ausgesprochen schillernde Figur, die auf vielen Gebieten im rechtsextremen Bereich tätig ist”. Sie ist nicht nur gern gesehene Rednerin bei rechten Aufmärschen, sondern gründete in ihrer Region den “Ring nationaler Frauen” und wurde Bezirksvorsitzende der NPD im Bereich Unterweser. In ihrem Heimatort war sie an leitender Stelle im örtlichen Schwimmverein tätig, bis NDR Info über ihre braune Gesinnung berichtete und der Verein sich genötigt sah, ihr den Laufpass zu geben.

Riefling ist kein Einzelfall: Auch an anderen Stellen in der norddeutschen Neonazi-Szene sind es Frauen, die hinter den Kulissen die rechten Fäden ziehen. Szenekenner wie die mit vielen Preisen für ihre Recherchen im rechten Milieu ausgezeichnete Journalistin Andrea Röpke aus Niedersachsen sprechen von einer geschickten Strategie der Neonazis: “Frauen dienen der Imageverbesserung der Szene. Sie werden deshalb im vorpolitischen Raum eingesetzt.”

Eine Aussteigerin berichtet

Eine dieser Frauen, die selbst jahrzehntelang in den Dienst der “braunen Sache” stellte, ist Tanja Privenau. Auch sie kommt aus Niedersachsen. Nach dem Ausstieg aus der rechten Szene lebt sie heute an einem geheimen Ort. Denn die ehemaligen Gesinnungsgenossen sind offenbar noch heute auf Rache aus. An ihren Einstieg in die männer-dominierte und gewaltbereite rechte Szene erinnert sie sich noch heute: “Gerade das fand ich so reizvoll, weil die so verrufen waren.” Tanja Privenau machte regelrecht Karriere in der Szene, wurde Kameradschaftsführerin: “Als Frau habe ich das Image der Kameradschaften ziemlich aufpoliert”, sagt sie heute. Rund ein Fünftel der bundesweit etwa 30.000 Rechtsextremisten ist weiblich, Tendenz steigend.

“Rechtsextremismus ist für Frauen genauso attraktiv wie für Männer”, sagt die Berliner Erziehungswissenschaftlerin Dr. Esther Lehnert, die sich in der Hauptstadt sowohl wissenschaftlich als auch ganz praktisch als Mitarbeiterin einer Beratungsstelle mit dem Phänomen “Frauen und Rechtsextremismus” befasst. Sie sieht vor allem ein Problem, wenn immer mehr junge Frauen ins rechte Lager abdriften: “Je mehr Frauen da drin sind, desto weniger Grund gibt es natürlich auch für die Männer, aus der Szene wieder auszusteigen.”

Weibliche Maulwürfe

Frauen würden von den rechten Strippenziehern außerdem ganz bewusst eingesetzt, um politisch Andersdenkende auszuspionieren, erklärt Lehnert. Leidvoll erfahren musste das vor gut zwei Jahren zum Beispiel die evangelische Landeskirche Hannover. Bei einem Fachseminar zum Thema Rechtsextremismus in Hermannsburg hatten sich auch zwei Frauen aus der rechten Szene unter einem Vorwand eingeschlichen. Ihr erkennbares Ziel war es, Namen, Adressen und inhaltliche Positionen von politischen Gegnern herauszufinden, um sie der rechten Szene weiterzuvermitteln. Szenekenner entlarvten die beiden Neonazi-Frauen allerdings und sorgten für deren raschen Rausschmiss.

Eigene Kinder als Tarnung

Auch Tanja Privenau hat diese Strategie angewendet. Ihre eigenen Kinder waren ihr dabei willkommene Tarnung: “Da geht man zum Beispiel zu Krabbelgruppentreffen und versucht neue Frauen für das braune Lager an Land zu ziehen.” Für Privenau war der Ausstieg aus der Szene ein steiniger Weg. Bis heute fühlt sie sich bedroht: “Die wären nicht nett zu mir, die würden mich zusammenschlagen.”

Von Angelika Henkel & Stefan Schölermann

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