In Berlin ist im vergangenen Jahr nach Angaben der Kreuzberger Opferberatungsstelle Reachout die Zahl der rechtsextrem oder rassistisch motivierten Gewalttaten deutlich gestiegen. Die Initiative zählte im vergangenen Jahr 158 Taten. „Dies ist die höchste Zahl seit 2006“, sagte Reachout-Sprecherin Sabine Seyb. Im Vorjahr waren lediglich 109 Vorfälle registriert worden. Knapp mehr als die Hälfte aller Taten wurden laut Reachout im Westteil der Stadt begangen. Nachdem es in früheren Jahren in den Ost-Bezirken weit mehr fremdenfeindliche und rechtsextreme Gewalttaten gegeben hatte, gleichen sich in den letzten Jahren die Zahlen in Ost und West immer mehr an.
In Brandenburg hingegen vermeldet die aktuelle Kriminalstatistik einen Rückgang der rechten Gewalttaten.
Bei der Statistik der Beratungsstelle liegen rassistisch motivierte Gewalttaten mit 70 Fällen an der Spitze. Die Täter gehören dabei nach Seybs Angaben nicht zur organisierten Neonaziszene. Es seien vielmehr Menschen, die ihrem Alltagsrassismus in brutaler Form Ausdruck verliehen. Insgesamt wurden 32 homophob motivierte Attacken gezählt; vor allem in Stadtteilen wie Kreuzberg oder Schöneberg. Die Täter seien in der Regel Männer; erfasst werden auch Übergriffe von Tätern mit Migrationshintergrund. Ebenfalls 32 Mal schlugen zu, um ihren politischen Gegner zu treffen, also zumeist Angehörige aus der linken Szene. Wie Seyb sagte, werden diese Angriffe meist von organisierten Neonazis begangen.
Reachout dokumentiert die Gewalttaten seit 2003. Die Zahlen der Initiative,die sich auf Angaben bezirklicher Initiativen und den offiziellen Polizeibericht stützen, sind nicht mit denen der offiziellen Polizeistatistik zu vergleichen. Denn bei Reachout werden auch Vorfälle eingerechnet, die nicht bei der Polizei angezeigt wurden oder bei denen diese einen anderen Tathintergrund vermutet. Aus diesem Grund sind die Reachout-Zahlen höher als die der Polizei. Beispielsweise verzeichnete die Polizei für 2010 lediglich 29 rechtsextremistische Gewaltvorfälle; die Initiative hingegen spricht von 109 Attacken.
Sebastian Wehrhahn von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus verwies zudem auf die Gefahren, die von Webseiten des „Nationalen Widerstands“ ausgingen. Auf diesen werden, wie berichtet, politische Gegner unter anderem als Linkskriminelle diffamiert. So sei auch das Jugendzentrum der linken Jugendorganisation „Falken“ in Britz Opfer von zwei Brandanschlägen – zuletzt im November – geworden, nachdem es auf einer Seite genannt worden war.
In Brandenburg, früher Hochburg rechtsextremer Übergriffe mit regelmäßigen Horror-Schlagzeilen über Tote und Verletzte, gibt es nach der am Mittwoch vorgestellten aktuellen Kriminalstatistik für politisch motivierte Straftaten eine spürbare Wende zum Besseren. „Die Gewalt von rechts ist auf dem Rückzug“, sagte Innenminister Dietmar Woidke (SPD). In einem Umfeld, das von der Debatte um denTerror von rechts und ein mögliches NPD-Verbot geprägt sei, sei das eine „wichtige Nachricht.“ Konkret gab es danach im Vorjahr in Brandenburg noch 36 Gewaltdelikte aus dem „braunen“ Milieu, davon 20 Fälle mit fremdenfeindlichem, zwei mit antisemitischen Hintergrund. Es ist der niedrigste Stand seit langem.
Im Vorjahr waren es noch 66 Gewalttaten aus dem „rechten“ Raum, 2004 sogar noch 105. Nach Angaben Woidkes hat sich ein jahrelanger Rückgang damit fortgesetzt. Das gilt auch für die politisch-motivierte Kriminalität insgesamt, bei der die 1140 „rechten“ Delikte den Mammutanteil ausmachen. Allerdings, sie nehmen auch nicht ab. Laut Polizei sind es zumeist Propagandadelikte. Zum Vergleich: 2010 hatte die Polizei 1141 politisch-motivierte Straftaten von „rechts“ registriert, quasi genau so viele. „Von einer Entwarnung kann deshalb keine Rede sein“, sagte Woidke.
Er hob hervor, dass 48 Prozent der politisch-motivierten Straftaten, 78 Prozent der Gewaltdelikte in Brandenburg aufgeklärt werden. „Die Aufklärungsquoten in diesem Bereich liegen durchweg über denen im Bund und der anderen Bundesländer“. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehöre zu den Stärken der brandenburgischen Polizei und war damit einer der wenigen Lichtblicke in der ansonsten seit Jahren dramatischsten Kriminalitätsbilanz für Brandenburg
(_Sigrid Kneist_)