Nach dem gescheiterten Versuch, die NPD zu verbieten, ist die Situation, juristisch betrachtet, tatsächlich “verfahren”. Die grundsätzliche Frage nach dem Sinn eines NPD-Verbots lässt sich dennoch eindeutig beantworten. Dabei gilt es allerdings, drei Punkte auseinanderzuhalten: die Entscheidung über ein Verbotsverfahren, die rein juristisch zu treffen ist, die unmittelbaren Auswirkungen eines Verbots auf die Partei sowie dessen allgemein-politische Bedeutung.
Die Meinungsfreiheit verlangt ein Verbot
Was die juristische Dimension angeht, so verhält es sich ähnlich wie mit dem Verbot offen nationalsozialistischer Symbole: Gerade der Kampf für Meinungsfreiheit verlangt das Verbot von Symbolen, die für deren Abschaffung stehen. Dies gilt erst recht für entsprechend ausgerichtete Organisationen – und hierzu zählt ihren Tarnversuchen und ihrem Populismus zum Trotz auch die NPD. Ihre nationalsozialistische Ausrichtung wurde ironischerweise durch den Abbruch des ersten Verbotsverfahrens noch verstärkt, denn anschließend wurde die NPD wie schon nach der ersten Verbotswelle rechtsextremer Organisationen Mitte der 1990er-Jahre zum Sammelbecken heimatlos gewordener Neonazis. Bedeutsamen Zuwachs erhielt die dem Verbot entgangene NPD unter anderem von einer Reihe führender Neonazis aus dem Kameradschaftsspektrum, die sofort höchste Positionen bekleideten – von der kontinuierlichen Zusammenarbeit der NPD mit fast dem gesamten rechtsextremen Spektrum einmal abgesehen. Die NPD, in den 80er-Jahren zu einem Alt-Herrenverein herabgesunken, ist erst durch jene erste Verbotswelle erstarkt; sie ist also nicht zuletzt dank einer inkonsequenten Verbotspolitik zu ihrer heutigen Bedeutung gelangt.
Juristische Mittel reichen nicht
Die Auswirkungen eines Verbots auf Partei und Szene lassen sich recht klar prognostizieren: Ein Verbot käme einer endgültigen Zerschlagung der Partei gleich. Die Behauptung, ein NPD-Verbot würde nicht viel bewirken, widerspricht allen Erfahrungen mit vergleichbaren Verboten. Bereits der Verlust der Infrastruktur, die Beschlagnahmung finanzieller Mittel und ein Wiederbetätigungsverbot würden ausreichen, die NPD als derzeit wichtigsten Akteur im rechtsextremen Spektrum zu erledigen und ihre Funktionäre und Mitglieder zu zwingen, sich neu zu orientieren. Der Neuaufbau einer Partei mit vergleichbaren Strukturen beziehungsweise das Unterwandern einer vorhandenen Partei würde Jahre dauern. Hinzu käme die demoralisierende Wirkung auf die gesamte rechtsextreme Szene.
Anders steht es allerdings mit den politischen Auswirkungen. Ein Verbot der NPD würde nicht das Ende des Rechtsextremismus bedeuten. Rechtsextremismus muss als gesamtgesellschaftliches Problem verstanden und gelöst werden – allein mit juristischen Mitteln ist ihm nicht beizukommen.
Wichtiger als staatliche Verbote oder parteipolitische Bekundungen bleibt daher das Engagement der Bürger und Bürgerinnen. Sie müssen Rechtsextremismus als ihr Problem verstehen, das inmitten der demokratischen Gesellschaft entspringt und gegen diese gerichtet ist. Der Staat allein kann dieses Problem nicht lösen, kein Verbot kann zivilgesellschaftliches Engagement ersetzen. Von einem erneuten, gut vorbereiteten Verbotsversuch darf also nicht die Lösung des Rechtsextremismus erwartet werden. Im Gegenteil, das Verfahren müsste dazu genutzt werden, auf seine politische und gesamtgesellschaftliche Dimension aufmerksam zu machen, um hier nach Lösungen zu suchen.