In dieses Klima hinein fällt die Veröffentlichung der »Berliner Zustände 2010«. So lautet der Titel des 5. »Schattenberichtes über Rechtsextremismus, Rassismus und Antifeminismus«, den die Mobile Beratung gegen Rechts (MBR) und das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (apabiz) veröffentlichten. Die diesjährige Ausgabe des »alternativen Verfassungsschutzberichtes« beschäftigt sich mit den öffentlichen Diskursen beispielsweise um die »Extremismusklausel«, Angriffe auf linke Läden und antimuslimischen Rassismus.
Weitere Texte widmen sich dem Auftreten der rechten Szene in Berlin: Rechtspopulistische Parteigründungen stehen einer stagnierenden NPD gegenüber. Bezogen auf ganz Berlin verzeichnet ReachOut, die Beratungsstelle für Opfer rassistischer, antisemitischer und rechter Gewalt, 2010 insgesamt 109 Angriffe – mehr als zwei Fälle pro Woche. Dabei waren 184 Menschen direkt betroffen. 50 Gewalttaten fanden in West-Berlin statt (2009: 36). Damit nähern sich die Zahlen erstmalig seit Gründung der Opferberatungsstelle vor mehr als zehn Jahren an, wobei sie im Osten stagnieren und im Westen ansteigen.
Kreuzberg und Nord-Neukölln rückten nach Ansicht der Autoren ins Visier der aktionsorientierten rechtsextremen Szene. »Auch wenn dem nächtlichen Aktionismus eine politische Schwäche der rechtsextremen Szene zugrunde liegt, lässt sich eine beunruhigende Tendenz der Professionalisierung im Verleumden und Ausspionieren (vermeintlicher) politischer Gegner/innen ausmachen.« Zudem sei besorgniserregend, wie sich die Angriffsorte verändert haben. Mehr Gewalttaten fanden im direkten Wohnumfeld statt.
Auch die Sarrazindebatte, die im vorherigen Papier Schwerpunktthema war, wird im aktuellen Bericht noch einmal aufgegriffen. Angereichert mit »exemplarischen Aussagen Thilo Sarrazins zu Muslimen in Deutschland« befassen sich die Autoren mit medialen Reaktionen auf Sarrazins Buch.
Günter Piening, Beauftragter für Integration und Migration im Berliner Senat, kommt im Vorwort des Berichtes auf die Debatte um die »Extremismusklausel« zu sprechen und schneidet damit ein akutes Problem an, dem zivilgesellschaftliche und antifaschistische Vereine (bundesweit) gegenüberstehen. Das Land Berlin nutzt Bundesmittel unter anderem, um zivilgesellschaftliche und antifaschistische Initiativen finanziell zu unterstützen. »Diese bisher gemeinsam von Bund und Land getragene Unterstützung Demokratie fördernder Initiativen ist eine Erfolgsgeschichte«, so Piening. Doch seit Jahresanfang ist die Unterschrift unter die sogenannte Demokratieerklärung Fördervoraussetzung. Damit verpflichten sich FörderempfängerInnen auch dazu, ProjektpartnerInnen auf deren Verfassungstreue zu überprüfen. Zahlreiche Projekte weigern sich, diese Erklärung zur Bespitzelung von Partnern zu unterzeichnen – und laufen somit Gefahr, auf Gelder verzichten zu müssen. »Daher besteht die Gefahr, dass wesentliche Teile der Projektlandschaft in Zukunft nicht mehr in vollem Umfang finanziell unterstützt werden können.«
(_Sarah Liebigt_)