Die Fraktionen von SPD, Die Linke, Grüne, FDP und Die Grauen wollen in der Bezirksverordnetenversammlung am nächsten Mittwoch einen gemeinsamen Antrag zur Abwahl der Stadträtin stellen. Weil eine „konstruktive Zusammenarbeit nicht mehr möglich“ sei und Vogelsang „Missachtung und Respektlosigkeit an den Tag“ lege, heißt in einer Erklärung der fünf Parteien. Für die Abwahl brauchen sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bezirksparlament, das sind 37 Stimmen. Doch die Antrag stellenden Fraktionen haben zusammen nur 36 Stimmen. Weil sich die CDU-Fraktion aus taktischen Gründen nicht an der Abstimmung beteiligen wird, entscheiden letztendlich die beiden NPD-Verordneten, ob Stefanie Vogelsang Stadträtin bleibt. Die demokratischen Parteien haben offenbar damit kein Problem. „Die NPD ist eine demokratisch gewählte Partei, wir können sie nicht von der Abstimmung ausschließen“, sagt SPD-Fraktions-Chef Jürgen Koglin. Sylvia Stelz, Fraktionsvorsitzende der Linken, sagt: „Uns geht es bei der Abwahl von Frau Vogelsang vor allem um ein politisches Signal.“
Fachliche Unzulänglichkeiten und „ein völlig zerrüttetes Vertrauensverhältnis“ führen die fünf Fraktions-Chefs als Begründung für ihren Antrag an. „Vogelsang tut nicht das, was sie als Gesundheitsstadträtin tun sollte“, sagt Sylvia Stelz. Dabei geht es vor allem um das Verhalten der Stadträtin in Bezug auf die Neuköllner Hörberatungsstelle. In der deutschlandweit ältesten Einrichtung dieser Art wurden seit 1959 mehr als 12 000 Patienten behandelt, jährlich kommen weitere 1 100 Patienten hinzu. Der Senat wollte die Beratungsstelle 2005 schließen. Eltern und Ärzte sammelten dagegen 11 000 Unterschriften, auch der Rat der Bürgermeister forderte, dass die Einrichtung bleibt. Der Senat beugte sich diesem Druck und beschloss 2007, die Einrichtung zu erhalten. Sie gehört jetzt zur Zentralen Hörberatung in Friedrichshain. Nach dem Willen des Senats soll es aber in Neukölln statt 13 nur noch neun Mitarbeiter geben. „Das ist zu wenig, um die Qualität der Hörberatungsstelle in vollem Umgang zu erhalten“, sagt Stefanie Vogelsang und weigert sich, eine entsprechende Vereinbarung mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu unterschreiben.
Das ärgert die Bezirkspolitiker enorm, denn die Stellenkürzung ist beschlossen. Weil die Stadträtin nicht bereit sei, „die demokratischen Spielregeln“ einzuhalten und damit dem Bezirk Schaden zufüge, fordern die fünf Fraktionen ihre Abwahl.
Vogelsang, Berlins einzige Gesundheitsstadträtin der CDU, sieht darin eine politischen Intrige. Auch Fraktionschef Falko Liecke wertet den Antrag als „Angriff auf die CDU“. „In unserer Fraktion gibt es niemanden, der sich an der Abstimmung beteiligen wird.“
Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, warnt die Neuköllner Bezirksverordneten vor einer Abstimmung mit den Stimmen der NPD. „Diese Partei ist antidemokratisch und verfassungsfeindlich. Ihre Mitsprache führt zur schrittweisen Normalisierung und gesellschaftlichen Anerkennung.“
Man habe kein Problem zuzustimmen, hieß es am Freitag bei der NPD. Schließlich habe man „schon mit SPD und Linken abgestimmt“.
(Stefan Strauss)