Der Leser, der das ND bereits am Wochenende über den Ausdruck aus seinem Briefkasten informierte, hat jetzt Angst. Er fragt sich allerdings weniger, woher die Neonazis seinen Namen haben könnten, dafür jedoch umso mehr, wie sie an seine Adresse gekommen sind. Dass sie auf ihn kamen, erstaunt den Mann deshalb nicht, weil er einer derjenigen war, die öffentlich den antifaschistischen Blockadeaufruf für Dresden unterzeichneten. Das Unbehagen rührt nun vor allem daher, dass das Drohschreiben nicht über den Postweg, sondern direkt von den Nazis in den Briefkasten geworfen wurde. Die subtile Botschaft, die offenbar einschüchtern soll: »Wir wissen, wo du wohnst.«
Der aufrichtige Privatmann ist indessen nicht der einzige Blockadeaufrufunterzeichner, der einen solchen Drohbrief erhalten hat. »Die Geschäftsstellen der Linkspartei in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Pankow erhielten ebenfalls einen solches Schreiben«, bestätigt LINKE-Sprecher Thomas Barthel gegenüber ND. In allen vier Fälle wurde unterdessen Anzeige erstattet – der Staatsschutz beim Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen. Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN–BdA) rief angesichts der Drohbriefe zur Solidarität auf: »Wir stellen uns ausdrücklich hinter alle Menschen, die sich gegen Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren.« Dazu gehört selbstverständlich der gemeinsame Protest gegen jegliches öffentliches Auftreten von Neonazis, wie am 13. Februar bei den erfolgreichen Blockaden in Dresden, erklärte der Berliner Landesvorsitzende Hans Coppi gegenüber ND. Gerade solche Aktionen ließen die Drohszenarien von Neonazis ins Leere laufen. Coppi wies überdies auf die geistigen Ideengeber für diese schändliche Tat hin. Die würden sich nämlich um die Fraktion der NPD in der Bezirksverordnetenversammlung scharen.
Aufgrund des desaströsen Verlaufs des Neonazis-Aufmarsches war in einschlägigen rechtsextremen Forum noch am 13. Februar über Racheaktionen sinniert worden. In diesen Kontext scheint auch der jetzt aufgetauchte Drohbrief zu gehören. Im Zusammenhang mit dem Aufmarsch in Dresden waren aber auch bereits im Vorfeld militante Aktionen von Neonazis zu verzeichnen gewesen. Auf eine ganze Reihe von linken Projekten und Häusern in Wedding, Neukölln und Friedrichshain hatte es Attacken gegeben. »Das Ganze ist ein Beleg, dass die Anfeindungen gegen Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, in Berlin nicht aufhören«, sagt Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR). Die Beratungsstelle ruft nun all diejenigen dazu auf, die ebenfalls ein solches Drohschreiben erhalten haben, sich zu melden. Es soll dann gemeinsam beraten werden, wie damit umzugehen ist. Und ganz klar zu zeigen, dass man die Menschen, die sich gegen Rechts wehren, unterstützt.
(Martin Kröger)