Anlass der Erklärung sind die stetigen Versuche von Rechtsextremistinnen und -extremisten, in Berlin über die Anmietung von bezirkseigenen Räumen, den Aufbau rechtsextremer Infrastruktur in Form von Läden oder Kneipen sowie mittels Propaganda und rechtsextremer Gewalt, den öffentlichen Raum zu besetzen. Da die kommunale Ebene zum zentralen Schauplatz des Kampfes der Rechtsextremistinnen und -extremisten um gesellschaftlichen Anschluss und Normalisierung geworden ist, kommt den Bezirken eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Rechtsextremismus und für Demokratie zu. In der Vergangenheit waren die Reaktionen der Bezirkspolitik und -verwaltungen darauf zum Teil uneinheitlich. Das lag auch daran, dass viele Erfolge im Kampf für mehr Demokratie, die in einzelnen Berliner Bezirken errungen wurden, in anderen Teilen Berlins noch nicht oder nur teilweise bekannt waren. Dies sollte sich mit der gestrigen Veranstaltung unter dem Motto: „Gemeinsam Handeln. Berliner Bezirke für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ ändern. Verhindert wird in Zukunft vor allem auch, dass Rechtsextremistinnen und -extremisten vor dem Widerstand und den Protesten, die ihnen in einem Bezirk entgegengebracht werden, einfach in einen anderen Bezirk ausweichen.
Ein bedeutendes politisches Signal
Zu dem richtungsweisenden Fachgespräch eingeladen hatte die Bezirksbürgermeisterin von Lichtenberg, Christina Emmrich (Die Linke). Fast drei Stunden lang diskutierten dabei Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie politische Entscheidungsträgerinnen und -träger in drei Fachforen über ihre Erfahrungen mit Rechtsextremismus. Ziel war es, Ideen, rechtliche Möglichkeiten und Erfahrungen in der kommunalen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus weiterzugeben und zu nutzen. „Wir haben gemerkt, dass hier ein vorhandener, aber noch nicht gehobener Erfahrungsschatz liegt“, sagte Emmrich bei dem Treffen. Dass es bei der praktischen Umsetzung noch manche verwaltungstechnische Hürden zu nehmen gilt, war allen Beteiligten klar. Dennoch, so Bianca Klose, Projektleiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) sende die Erklärung „ein politisches Signal, das in seiner Bedeutung weit über Berlin hinausreicht.“ Das gemeinsame und abgestimmte Handeln der demokratischen Akteure aus der Berliner Bezirkspolitik, Verwaltung und Zivilgesellschaft gegen die raumgreifenden Strategien der Rechtsextremen hat inzwischen bundesweit Vorbildcharakter.
Antirassistische Klausel verhindert Vermietung
Die gestrige Erklärung bekräftigt eine Empfehlung des Rates der Bürgermeisterinnen und -meister vom März 2009. Darin wurde der Einsatz von Nutzungsvereinbarungen auf Grundlage der von der MBR erarbeiteten antirassistischen Klauseln für ein gemeinsames und möglichst einheitliches Vorgehen der Bezirksämter bei der Überlassung von bezirkseigenen Räumen an Dritte empfohlen. Norbert Kopp (CDU), Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf hat mit diesem Vorgehen bereits positive Erfahrungen gemacht. Als die NPD im März 2009 ihren Parteitag in einem Lankwitzer Seniorenheim abhalten wollte, bekam sie einen Nutzungsvertrag vorgelegt, der eine antirassistische Klausel enthielt, die die Verbreitung von rechtsextremem, rassistischem oder antisemitischen Gedankengut untersagte. Als die NPD deswegen nur „unter Vorbehalt“ unterschreiben wollte, konnte eine Vermietung unterbleiben.
Eine berlinweite Anwendung entsprechender Nutzungsvereinbarungen ist umso wichtiger, als 2011 anlässlich der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eine Verstärkung der rechtsextremen Bemühungen zu erwarten ist. Nur wenn die Bezirke hierbei zusammenarbeiten und ihre Erfahrungen austauschen, hätten, wie Bianca Klose betonte, die Rechtsextremistinnen und -extremisten keine Chance, „Rathäuser in Berlin öffentlichkeitswirksam zu besetzen oder aber Ladengeschäfte mit Angeboten für rechtsextreme Kundschaft zu eröffnen.“
Präventive Maßnahmen sinnvoll
Die Bezirke setzen sich in Zukunft außerdem auch dafür ein, dass in der Auseinandersetzung mit Läden und Kneipen als Teil rechtsextremer Infrastruktur ähnliche Klauseln in Gewerbemietverträgen angewendet werden. Hiermit gibt es zum Beispiel in Friedrichshain-Kreuzberg Erfahrungen. Dort ist es, wie Franz Schulz (Grüne), Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg berichtete, gelungen, „ein hohes Maß an gesellschaftlichem Widerstand“ gegen ein Geschäft der bei Rechtsextremistinnen und -extremisten beliebten Modemarke Thor-Steinar zu organisieren. Die juristische Auseinandersetzung dauere allerdings noch an. In Treptow-Köpenick kämpfen Anwohnende, Ämter sowie Vermieterinnen und Vermieter seit Monaten um die Schließung der Kneipe „Zum Henker“. Beide Beispiele zeigen, dass präventive Maßnahmen in diesem Zusammenhang sinnvoll sind. „Ein Anti-Nazi-Mietvertrag hätte geholfen“, so Gabriele Schöttler (SPD), Bezirksbürgermeisterin von Treptow-Köpenick.