Dämpfer für den gemeinsamen Kampf der Berliner Bezirke gegen Rechts. Nach dem gestrigen Urteil der 2. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts waren die Einschränkungen, die das Bezirksamt Reinickendorf der NPD aus Anlass ihres Bundesparteitages im April 2009 gemacht hatte, rechtswidrig (Az. VG 2 K 93.09). Demnach hätte das Bezirksamt der extrem rechten NPD weder das Foyer vorenthalten dürfen, noch sei der Vorbehalt in der Nutzungsvereinbarung rechtens gewesen, die Veranstaltung abzubrechen, sollte diese einen rassistischen, antisemitischen oder antidemokratischen Verlauf nehmen.
»Der Vorbehalt verstoße auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Behörde nach ihrer hier maßgeblichen früheren ständigen Praxis Säle ohne Nebenbestimmungen überlassen habe«, hieß es in der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts. Zudem verstoße der Widerrufsvorbehalt inhaltlich gegen Artikel 21 des Grundgesetzes. Solange Parteien nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten seien, dürften deren Meinungsäußerungen nicht beschränkt werden – außer wenn gegen Strafgesetze verstoßen werde. An dieser Stelle verwies allerdings auch das Verwaltungsgericht auf eine Grauzone der Legalität , innerhalb derer sich viele Äußerungen der extrem rechten NPD und ihrer Anhänger bewegen würden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ließ das Verwaltungsgericht deshalb auch ausdrücklich eine Berufung vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht zu.
Ob Reinickendorfs Bürgermeister Frank Balzer (CDU) die Berufungsmöglichkeit wahrnimmt, konnte er gestern noch nicht sagen. »Ich warte erst mal die schriftliche Begründung des Urteils ab«, erklärte Balzer gegenüber ND. Aber natürlich habe er auf einen anderen Ausgang gehofft und sei jetzt enttäuscht. Letztlich habe mit der sogenannten antifaschistischen Klausel in der Nutzungsvereinbarung der Bezirk ein »scharfes Schwert« gehabt, diese rechtliche Möglichkeit sei nun wieder weg.
Dass Reinickendorf bereits zwei Mal von einem Bundesparteitag der extrem rechten NPD betroffen war, hängt mit den beiden großen Räumlichkeiten des Bezirks zusammen, die Plätze für bis zu 1000 Personen bieten. So viel bezirklichen Raum gibt es in Berlin ansonsten nur im Rathaus Schöneberg anzumieten, wo sich am heutigen Sonnabend die extrem rechte Vereinigung Pro Deutschland zusammenfinden will. Wie das erst zu Beginn des Jahres verkündete einheitliche Vorgehen der Berliner Bezirke gegen Anmietungen öffentlicher Räume von Rechtsaußen weiter gestaltet wird, »werden wir mit den anderen Bezirken abstimmen«, kündigt Bürgermeister Balzer an. Beraten werden die lokalen Verwaltungen dabei auch von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR). An deren Formulierungen aus einem »Muster-Raumnutzungsvertrag« sich die Reinickendorfer Vorgabe an die NPD anlehnte, »dass die Veranstaltung keine rassistischen, antisemitischen oder antidemokratischen Inhalte hat«.
Dass die Bezirke nun einen Rückschlag erlitten haben, kann Bianca Klose von der MBR nicht erkennen. Im Gegenteil. Zwar müsse nach dem Urteil das Verfahren der Raumvergabe überprüft und verbessert werden, auf das sich alle Bezirke geeinigt haben. »Doch genau für diese zielgerichtete Modifizierung der Raumvergabe liefert das Urteil Eckpunkte«, meint Klose. Dazu komme, dass der von der MBR entwickelte Raumnutzungsvertrag erst noch von einem Zivilgericht überprüft werden müsse. Letztlich bleibe die Auseinandersetzung mit den Rechten überdies eine politische und nicht nur eine juristische Aufgabe, so Klose. »Als Partei, die öffentlich die Grundrechte ablehnt und mit Füßen tritt, hat die NPD heue ihr Recht eingeklagt, sich antisemitisch, rassistisch und vor allem antidemokratisch äußern zu dürfen.« Dagegen gelte es sich zu positionieren.
(_Martin Kröger_)