(17.01.2009) Die Linke Online

Am 7. Juni werden die Sitze im Landtag des Freistaates Sachsen neu verteilt und auch die NPD stellt sich erneut zur Wahl. Nachdem sie 2004 mit zwölf Abgeordneten in das sächsische Parlament einzog, scheint ihr der Wiedereinzug sicher. Pünktlich zum so genannten “Superwahljahr” 2009 legt das Redaktionskollektiv “Nazis in den Parlamenten” (NiP) Sachsen in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung eine Publikation vor, die die Aktivitäten der NPD in Sachsen analysiert. In acht Beiträgen geben die Autor/innen einen Einblick in das Wirken der NPD inner- und außerhalb des Landtages und den Umgang der demokratischen Parteien sowie der Medien mit den rechtsextremen Abgeordneten. Gleichzeitig bietet der Sammelband einen Ausblick auf die kommende Wahlperiode.

Beispielsweise kommt Chris Fisher zu der Erkenntnis, dass die NPD-Fraktion – wider Erwarten – trotz personeller Einbußen keineswegs in der Versenkung verschwunden ist. So stellten die NPD-Abgeordneten bis Sommer 2008 allein 2.165 Kleine Anfragen, wie Michael Nattke in einer vergleichenden Analyse der NPD-Fraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern feststellt. Nattke zeigt zugleich aber auch Schwächen auf: So scheint es, entgegen den Erwartungen, keinen kontinuierlichen Austausch zwischen beiden Fraktionen zu geben. Dies zeigt sich bei Anträgen der NPD, die sich in ihrer Stoßrichtung zwar durchaus ähneln, in Argumentation und Formulierung jedoch erhebliche Unterschiede aufweisen. Dabei wird allerdings unterschlagen, dass einige, meist besonders skandalträchtige, Anträge trotz allem den Weg durch Landesparlamente und kommunale Gremien finden. Als Beispiel sei nur der geschichtsrevisionistische Antrag für “Rote Stolpersteine gegen das Vergessen” genannt, der in einigen Berliner Bezirksverordnetenversammlungen für Aufregung sorgte, nachdem er bereits im Schweriner Schloss gestellt wurde.

Kritisch beäugt wird der Umgang der demokratischen Parteien mit der NPD. Besonders CDU und FDP falle die Abgrenzung gegenüber den Rechtsextremen nicht immer leicht. “Auf kommunaler Ebene wird immer wieder von freundschaftlichen Kontakten einzelner Abgeordneter zu in den entsprechenden Parlamenten vertretenen Neonazis berichtet […]” (S. 69).

Mit einer weiteren Publikation, die sich mit den parlamentarischen Aktivitäten rechtsextremer Parteien befasst, stellt sich das Projekt “Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins – Dokumentation und Analyse” vor. Die Broschüre analysiert Auftreten und Strategien der Rechtsextremen in den Bezirksverordnetenversammlungen Berlins. Seit 2006 sind dort Verordnete von NPD, DVU und “Republikanern” (REP) vertreten. So ziehen die Autor/innen zunächst eine Zwischenbilanz und stellen einerseits eine gewisse Stabilisierung der Präsenz der NPD fest. Andererseits hindern mangelnde kommunale Verankerung und der “Berliner Konsens” der demokratischen Parteien die NPD an einer Verstetigung ihrer Präsenz. Anträge der Rechtsextremen werden konsequent abgelehnt und in der Regel entgegnet nur ein/e Vertreter/in der demokratischen Parteien den rechtsextremen Initiativen. Trotz dieser Erfolge und der anhaltenden Stigmatisierung der Rechtsextremen in Berlin raten die Autor/innen, “die bisher gemachten positiven und negativen Erfahrungen genauer in den Blick zu nehmen” und an einer “Weiterentwicklung demokratischer Handlungsweisen” (S. 37) zu wirken. Folglich wartet die Broschüre mit einem umfangreichen und nützlichen Anhang auf, in dem Praxisbeispiele aus der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus auf kommunaler Ebene sowie beispielhafte Anträge und Debatten dokumentiert sind.

Trotz innerparteilicher Querelen ist die NPD auf dem Vormarsch: So verfügt sie bundesweit über dutzende Mandate und Kommunalparlamenten. Sie nutzt diese Möglichkeit, um ihr menschenverachtendes Gemeinschaftsmodell zu propagieren. An sachpolitischer Arbeit in den Kommunen jedoch zeigt sie kein Interesse. Trotzdem erfordert die Abgrenzung der demokratischen Parteien eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Die beiden vorliegenden Broschüren können Vertreter/innen aus Kommunal- und Landespolitik sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren Anregungen und Hilfestellungen hierzu geben.

(Yves Müller)

Hinweis: Die Broschüre “Die NPD im sächsischen Landtag. Analysen und Hintergründe 2008” kann gegen Erstattung der Versandkosten über das Bildungswerk weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung bezogen werden. Bestellungen bitte an schoenfelder@weiterdenken.de. Außerdem steht sie unter www.weiterdenken.de zum Download bereit.

Die Broschüre “Berliner Erfahrungen. Zwei Jahre demokratische Auseinandersetzungen mit Rechtsextremen in kommunalen Gremien” kann über den Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK) bestellt werden. Bestellungen bitte an doku-und-analyse@vdk-berlin.de. Sie kann auch unter www.mbr-berlin.de/Verein/Rechtsextremismus_in_den_BVVen heruntergeladen werden.

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