Der Verfassungsschutz-Experte der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Tom Schreiber, forderte als Konsequenz aus dem Urteil ein neues NPD-Verbotsverfahren.
Die rechtsextreme Partei hatte im vergangenen Jahr vor Gericht erstritten, dass sie ihren Bundesparteitag im Ernst-Reuter-Saal des Rathauses Reinickendorf abgehalten konnte. Dagegen hatten mehrere Hundert Menschen protestiert. Die Nutzungsvereinbarung des Bezirks sah bei der Überlassung des Saals dann die Möglichkeit eines Widerrufs vor, falls auf der Veranstaltung rechtsextremes, volksverhetzendes oder antisemitisches Gedankengut verbreitet würde.
Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts stellte nun fest, dass die NPD einen Anspruch auf Überlassung des Saales einschließlich des Foyers hatte. Der Widerrufsvorbehalt sei rechtswidrig gewesen. Er verstoße unter anderem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da der Bezirk nach seiner ständigen Praxis Säle ohne Nebenbestimmungen vermietet habe.
Auch widerspreche der Widerrufsvorbehalt dem Grundgesetz. Da Parteien bis zu ihrem Verbot durch das Bundesverfassungsgericht privilegiert seien, dürften deren Meinungsäußerungen nicht beschränkt werden, solange diese nicht gegen Strafgesetze verstoßen.
Die zwölf Berliner Bezirke hatten sich im Januar dieses Jahres auf eine gemeinsame Strategie gegen Rechtsextremismus verständigt. Durch strenge Auflagen in den Mietverträgen sollte unter anderem die Anmietung bezirklicher Räume durch rechtsextreme Vereine und Organisationen verhindert werden. Die Verträge sind angelehnt an den Muster-Raumnutzungsvertrag, den die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) erstellt hat. Dieser wurde auch bei der Vermietung in Reinickendorf angewendet.
Schreiber sagte, solange die NPD nicht verboten sei, werde sie immer wieder vor Gericht recht bekommen. Daher müsse ein «sauberer Schnitt» gemacht werden. Der SPD-Politiker forderte seine Partei mit Blick auf die neue Stimmenmehrheit im Bundesrat auf, dies nun auch «tatsächlich zu tun». 2003 war ein NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der unklaren Rolle von verdeckt arbeitenden Informanten, sogenannten V-Leuten, gescheitert. Vor allem die unionsgeführten Länder hatten sich in der Vergangenheit gegen einen neuen Anlauf ausgesprochen.
MBR-Projektleiterin Bianca Klose sagte, die NPD sei eine Partei, die «öffentlich die Grundrechte ablehnt und mit Füßen tritt». Nun habe sie das Recht eingeklagt, «sich öffentlich antisemitisch, rassistisch und vor allem antidemokratisch äußern zu dürfen». Umso wichtiger sei es nun, sich auch weiterhin der «öffentlichen Inszenierung und Normalisierung» der NPD entgegenzustellen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Verwaltungsgericht die Berufung an das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg zugelassen (Az.: VG 2 K 93.09).