1.) Was war für Sie ein Fortschritt in der Arbeit gegen Rechtsextremismus 2007?
Den rechtsextremen Verordneten ist es in den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen nicht gelungen, die demokratischen Parteien zu spalten und dort erkennbare Akzente zu setzen. Der Konsens der demokratischen Parteien, dass es keine Zusammenarbeit sowie kein gemeinsames Abstimmen mit dieser verfassungs- und demokratiefeindlichen Partei gibt, hat größtenteils Bestand gehabt. Viele unserer Einschätzungen und Anregungen wurden von den
demokratischen Verordneten beherzigt. Des Weiteren freut uns, dass es bei dem fünften rechtsextremen Dezember-Aufmarsch in Berlin eine sehr intensive Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie der Bezirksämter aus den Bezirken Treptow-Köpenick und Neukölln gab. Nachdem kurzfristig bekannt wurde, dass der Aufmarsch nicht im Ostbezirk Treptow-Köpenick stattfindet, sondern im Westbezirk Neukölln, wurde den dortigen Akteuren spontan bezirksübergreifend Hilfe und Unterstützung für einen lautstarken Protest angeboten.
Natürlich freut es die MBR, dass wir nach Monaten der Ungewissheit unsere Arbeit fortsetzen dürfen. Zusammen mit der Opferberatung ReachOut sind wir “Erstkontaktstelle” für alle Beratungsanfragen zum Thema Rechtsextremismus in Berlin.
2.) Was war für Sie ein Rückschritt in der Arbeit gegen Rechtsextremismus 2007?
Kleinere zivilgesellschaftliche Projekte konnten in 2007 leider ihre Arbeit nicht fortführen, weil die Ausrichtung der Förderprogramme gegen Rechtsextremismus seitens der Politik verändert wurde. So fehlen in einigen Regionen wichtige Formen von zivilgesellschaftlichem Engagement. Andere Projekte arbeiten zwar weiterhin, haben aber andere Aufgabenschwerpunkte erhalten. Dass bei der Entwicklung der neuen Bundesprogramme so wenig auf die Expert/innen aus Wissenschaft und Praxis gehört wurde, empfinden wir als einen Rückschritt.
3.) Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf 2008?
Um den Rechtsextremismus nachhaltig zurückdrängen zu können, müssen mehr Menschen realisieren, dass Rechtsextremismus und Rassismus auch etwas mit ihnen zu tun hat. Er zeigt sich im unmittelbaren persönlichen Umfeld und speist sich u.a. aus Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft gegenüber ethnischen Minderheiten. Viele Untersuchungen bestätigen das und wir erfahren es in unseren Beratungsprozessen oder in Argumentationstrainings gegen rechte Parolen. Dort, wo sich Menschen zusammenfinden, muss diskriminierenden, homophoben, rassistischen und antisemitischen Aussagen widersprochen werden. Wir müssen den Mut aufbringen dies am Arbeitsplatz, im Sportverein, auf der Familienfeier, in Schule, Kirche, Gewerkschaft zu tun. Ich halte es darüber hinaus für einen wichtigen Handlungsbedarf, dass die Parteien ihr inhaltliches Profil zu den entscheidenden Themen (der NPD) schärfen: Soziale Frage, Globalisierung, Integrationspolitik. Die deutliche Abwehr von ethnisierenden Positionen zu Jugendgewalt durch die Mehrheit der parteipolitischen Akteure ist ein positives Beispiel.
Dazu muss man sich natürlich mit den rechtsextremen Ideologieelementen auseinandersetzen. Wir brauchen eine konstruktive demokratische Streitkultur und eine aktive Auseinandersetzung mit rechtsextremem und rassistischem Denken, das aus der Mitte unserer Gesellschaft kommt. Die Verantwortlichen in der Politik sollten sich stärker und kontinuierlicher mit den Praktiker/innen vor Ort austauschen. Ihre Expertise ernst nehmen und nicht vorschnell Statistiken vertrauen. Wenn die rechtsextremen Straftaten zurückgehen, kann das auch daran liegen, dass sich die rechtsextreme Szene lokal etabliert hat und die potentiellen Opfergruppen die Region verlassen haben. Wir wünschen uns eine unaufgeregtere Debatte über Rechtsextremismus und ein deutlicheres Einbeziehen von Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung. Leider wird Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit meist konjunkturell diskutiert. Solange nichts passiert, gibt es ihn scheinbar nicht. So kann man nur schwer der Normalisierungsstrategie der Rechtsextremen, allen voran der NPD, etwas entgegensetzen.