Das geht aus einer Antwort von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei-Abgeordneten Evrim Baba hervor. Demnach sind in dem Gebiet 21 Personen der rechtsextremistischen Szene gemeldet. Diese “in der Vergangenheit festgestellte vermehrte Ansiedlung im Weitlingkiez” habe “zu einer verdichteten Wohnraumsituation” und einer “Häufung rechtsmotivierter Aktivitäten und Erscheinungsformen” geführt. Als Beispiele werden das Verteilen von Flugblättern, Plakatkleben und die offene Verwendung verfassungswidriger Symbole genannt.
Von Januar bis August dieses Jahres zählte die Polizei 13 einschlägige Anzeigen: unter anderem wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr zwar schon ein Rückgang der Fallzahlen, die laut Polizei “keine Stigmatisierung dieser Region” rechtfertigten – trotz der “medialen Darstellung und öffentlichen Wahrnehmung” als rechter Brennpunkt. Allerdings steckt die Polizei laut Senator schon seit Jahren sehr viel Aufwand in Beobachtung und Zurückdrängung der Szene: Funkwageneinsätze rund um die Uhr, intensive verdeckte Aufklärung, regelmäßige Sicherheitsgespräche mit Gewerbetreibenden, Antirassismusinitiativen des polizeilichen Präventionsbeamten. Auch dies habe zum Rückgang der registrierten Vorfälle beigetragen.
Tatsächlich scheint es im Weitlingkiez inzwischen zwei gegenläufige Tendenzen zu geben. So beschreibt es jedenfalls der Lichtenberg-Experte der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, Björn von Swieykowski. Er schätzt die Zahl organisierter Rechtsextremer auf möglicherweise bis zu vierzig Personen, darunter Mitglieder der 2005 verbotenen “Kameradschaft Tor”; hinzu kommen zahlreiche Mitläufer. Es gebe drei oder vier Nazi-Wohngemeinschaften, die als Anlaufpunkt genutzt würden. Die Wahlergebnisse für die NPD sind überdurchschnittlich. “Die sehen das wirklich so: Dies ist unser Kiez”, sagt von Swieykowski.
Doch er betont auch, dass das örtliche Engagement gegen Rechts mittlerweile Wirkung zeige. Nachbarschaftszentren wie die “Kultschule” in der Sewanstraße organisieren Informationsveranstaltungen und Begegnungen zum Beispiel mit Vietnamesen, die im Kiez wohnen und arbeiten. An diesem Wochenende entfernten Bürger und Bezirkspolitiker rechtsradikale Symbole im öffentlichen Raum. “Das ist alles nicht besonders spektakulär, wird aber stärker”, sagt von Swieykowski. Die aktive Nazi-Szene habe sich nur deshalb so festsetzen können, weil es vor Jahren fast gar keine bürgerliche Gegenwehr gab.
Das sieht auch Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei) so. Die Menschen müssten ermutigt werden, sich zu wehren, sagte sie gestern. “Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Rechten gewinnen.”
(Jan Thomsen und Andreas Kopietz)