Hat Sie die Nachricht von der Enttarnung der neonazistischen Terrorzelle überrascht?
Ich bin schockiert über alle rassistischen Morde, die seit Jahren durch Rechtsextremisten verübt worden sind.
Aber handelt es sich nicht um eine neue Qualität von Gewalt?
Natürlich ist die Systematik eines jahrelangen Mordens neu. Ich sehe jedoch die neue Qualität weniger darin, dass Rechtsextreme auch vor Mord nicht zurückschrecken, denn seit dem Mauerfall hat es weit über hundert rechtsextrem motivierte Morde gegeben. Die Besonderheit liegt bei diesen Fällen auch im Versagen der Sicherheitsbehörden. Verfassungsschutz und LKA haben diese Taten durch fehlende Fahndungserfolge geradezu ermöglicht, obwohl sie wussten, dass hier Neonazis willens sind, Rohrbomben zu bauen. Das ist eine neue Dimension.
Nun gibt es die Information, dass ein V-Mann des Verfassungsschutzes mit dem Zwickauer Trio Kontakt hatte. Halten Sie eine Verwicklung der Geheimdienste für möglich?
Das werden wir sehen. Es wird hoffentlich eine schnellstmögliche Aufklärung geben. Ich kann derzeit nicht ausschließen, dass da ein riesiger Skandal um das Vorgehen des Verfassungsschutzes auf uns zukommt. Gerade in Thüringen ist bereits mehrmals skandalöses Fehlverhalten des Verfassungsschutzes bekannt geworden. Seinem gesetzlich zugeschriebenen Kernauftrag, nämlich ein Frühwarnsystem im Hinblick auf eventuell demokratiegefährdende Bestrebungen zu sein, ist er überhaupt nicht nachgekommen.
Handelt es sich denn bei der sogenannten Zwickauer Zelle überhaupt um Terroristen? Immerhin wurden die Taten nie mit Bekennerschreiben propagandistisch ausgeschlachtet.
Darauf kommt es doch gar nicht an. Diese Debatte wird in Deutschland erneut ziemlich hysterisch geführt. Rechtsextreme Morde gab es schon immer. Zum Beispiel beim Anschlag auf das Münchener Oktoberfest im Jahr 1980. Auch damals wurde versucht, Angst und Schrecken bei jenen zu verbreiten, die nicht ins rechtsextreme Weltbild passen. Das ist hier wieder erfolgt.
Welche Erwartungen haben Sie jetzt an die Politik?
Auch dem letzten Politiker und der letzten Bürgerin muss jetzt klar werden, die neue Qualität der Ereignisse liegt im Versagen der Sicherheitsbehörden. Es wäre aber falsch, sich wieder auf den Aspekt des Terrors zu versteifen und womöglich sogar noch neue Gesetze zu fordern. Die Politik darf jetzt auch nicht so tun, als wären Alltagsrassismus, rechtsextreme Gewalt und rassistische Morde in Deutschland ein neues Phänomen. Es gilt jetzt vielmehr, die bewährten Konzepte zur Stärkung der Demokratie und zivilgesellschaftlicher Initiativen zu unterstützen.
Bianca Klose ist Geschäftsführerin des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin und Gründerin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus.
(_Das Gespräch führte Paul Solbach._)