Unterschiedlicher können die derzeit lautesten Verfechter für ein neues NPD-Verbotsverfahren kaum sein: Wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) seit Jahren mit ihrer Kampagne “nonpd” läßt auch die CSU kaum eine Gelegenheit verstreichen, um für ein Verbot der neofaschistischen Partei zu werben. Für manche sind die neuen antifaschistischen Gesänge der CSU allerdings eher ohrenbetäubendes Wahlkampfgeschrei.
Während die VVN-BdA ihren Worten auch Taten folgen läßt, beispielsweise indem sie dieser Tage mit jüngeren Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen NPD-Wahlkampfstände auf der Straße protestiert oder, wie beim diesjährigen Tag der Erinnerung und Mahnung am Wochenende in Berlin, das Gedenken an den Holocaust wachhält, beläßt man es auf seiten der Parteien kurz vor den Wahlen zumeist bei Lippenbekenntnissen.
Die VVN-BdA ist unterdessen mit ihrem Ziel, im Rahmen ihrer “nonpd”-Kampagne bis zum kommenden Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus, dem 8. Mai 2010, insgesamt 5000 Argumente für ein NPD-Verbot zu sammeln, gut im Plan. Bis Freitag hatten sich 3571 Menschen an der Aktion beteiligt, die im Internet unter www.npd-verbot-jetzt.de umfangreich dokumentiert wird.
Die Kampagne der VVN hatte bereits einen Vorläufer: 2007 kamen über 175000 Unterschriften für ein NPD-Verbot zusammen. In 46 Kartons verpackt waren diese im Dezember 2007 mehreren Parlamentariern des Bundestages überreicht worden.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte Ende der Woche der Süddeutschen Zeitung (SZ), Bayern wolle “dem Treiben der NPD nicht zusehen, bis sich diese Verfassungsfeinde in der Republik etabliert haben”. Für Herrmann ist das Auftreten der NPD seit dem gescheiterten Verbotsversuch von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung im Jahr 2003 erheblich bedrohlicher geworden: “In Lörrach hat ein NPD-Mann Sprengstoff gehortet und einen Anschlag geplant. Bei uns in Bayern hat ein NPD-Kreisvorsitzender einen Brasilianer überfallen (…). Solche Dinge bestimmen den Alltag der NPD, Gewalt wird von der Partei wohlwollend geduldet”, schilderte Herrmann der SZ. Ein neuer Anlauf habe auch deshalb bessere Chancen, weil das Bundesverfassungsgericht jetzt anders besetzt sei als noch 2003 und die neuen Richter womögllich nicht mehr so streng seien, so Herrmanns Argumentation.
Daß der letzte Versuch vorwiegend wegen der rund 30 Mitarbeiter des Verfassungsschutzes scheiterte, die in leitende Funktionen der NPD geschleust worden waren, stört den CSU-Politiker nicht die Bohne. Für ihn gelten die Schlapphüte in der neofaschistischen Partei auch weiterhin als unverzichtbar. Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes hatten mit ihrer Entscheidung gegen ein NPD-Verbot 2003 der Partei ausdrücklich nicht attestiert, verfassungskonform zu sein – sie lehnten aber den Verbotsantrag ab – mit dem Argument, daß nicht unterscheidbar sei, wer in der NPD ein Parteiaktivist und wer ein Agent des Verfassungsschutzes sei.
Hermann verkündete trotzdem, bis zum Sommer einen neuen Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorbereiten zu wollen, und legt es mit seinem Vorstoß auf einen handfesten Streit mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) an, der ein NPD-Verbot derzeit für aussichtlos hält. Wie manch anderer CDU-Politiker zeigt sich Schäuble insbesondere wegen des Zeitpunkts der erneut entfachten Debatte, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, über den Vorstoß aus Bayern etwas vergrätzt. Der Berliner Morgenpost zufolge wolle er sich aber in Kürze mit seinem Unionskollegen aus Bayern darüber austauschen, ob “neues Material” und “neue Argumente” über die Verfassungsfeindlichkeit der NPD vorlägen. Schäuble erklärte weiter: “Das Dümmste ist, einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen, der dann scheitert.” Aber der Widerstand gegen ein neuen Verbotsverfahren in der CDU bröckelt erheblich. Sah Schäuble mit seiner Position unlängst noch die gesamte Riege von CDU-Landesinnenministern hinter sich, sind mit Lorenz Caffier aus Mecklenburg-Vorpommern und Manfred Scherer aus Thüringen nunmehr zwei Minister auf die Seite der Befürworter eines neuen Anlaufs gewechselt.
Für Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sind die Pläne der CSU “für ein neues NPD-Verbotsverfahren (…) nichts als unseriöse Augenwischerei”. Jelpke zufolge dürfe die “menschenverachtende Hetze der Neonazis nicht weiter durch die staatliche Parteienfinanzierung subventioniert” werden. Ihre Partei werde auch zukünftig “für die Abschaltung der nutzlosen und oftmals auch gefährlichen V-Leute in der NPD eintreten”, teilte Jelpke weiter mit. Bianca Klose von der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) plädierte am Freitag im jW-Gespräch “bei Abwägung aller Vor- und Nachteile” für ein NPD-Verbot, “weil die Partei eine zutiefst rassistische und antisemitische Organisation ist” und die Parteienprivilegien zur Stärkung der neonazistischen Szene beitragen.
Dennoch hält Klose die “aktuelle Debatte für kontraproduktiv, wenn nicht gar hilflos”, solange die richtigen Schlüsse aus dem Scheitern des letzten Verbotsantrages “keine politische Mehrheit in Deutschland” fänden. Derzeit müsse es eher darum gehen, “demokratische Strukturen aufzubauen und gegen Rechtsextremismus zu sensibilisieren”, so Klose weiter.
Positiv überrascht über den CSU-Vorstoß zeigte man sich bei der SPD, deren Innenminister in den Ländern ein NPD-Verbot mehrheitlich befürworten. Auch deshalb, weil Herrmann ankündigte, mit Schäuble eine “klare Debatte” über ein neues NPD-Verbotsverfahren führen zu wollen und mit den SPD-Innenministern in der Frage zu kooperieren. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann, teilte in einer Erklärung mit, daß, “nachdem die Unions-Länder seit Monaten Gespräche über einen zweiten Anlauf eines NPD-Verbotsverfahrens blockieren”, er sich “über die Wende aus Bayern” außerordentlich freue.
Von Lothar Bassermann