In Spanien können rund 70 Gruppierungen mit rechtsextremem Hintergrund benannt werden. Darunter sind 20 politische Parteien mit 10.000 bis 11.000 Mitgliedern. Dabei sind die Männer klar in der Überzahl. Während der Anteil der Frauen in der rechtsextremen Szene in Deutschland auf rund 33 Prozent geschätzt wird, wird er in Spanien auf rund 20 Prozent geschätzt – genaue Studien gibt es bisher nicht.
Nostalgische, alte Rechte im Geiste von 1933
Das Spektrum von rechtsextremen Gruppen kann in zwei Blöcke unterteilt werden. Zum einen in die nostalgische, alte Rechte, die sich auf Franco oder auf José Antonio Primo de Rivera, den Gründer der Falange-Bewegung, beruft. Die Falange-Bewegung gründete sich 1933 und besaß eine extrem faschistische und antikommunistische Ausrichtung. Auch heute noch sind Falange-Gruppen die stimmenstärksten Vertreter in diesem ersten Block.
… und moderner Rechtsextremismus der 1990er Jahre
Eine zweite Strömung besteht aus rechtsextremer Parteien und Organisationen, die sich vor allem im den 1990er Jahren gegründet haben. Sie umfassen ein großes Spektrum an Neonazis und Rechtspopulisten. Vertreter dieser Strömung sind die “Democracía Nacional”, “Movimiento Social Republicano”, die eher regional orientierte “España 2000”, sowie die “Plataforma per Catalunya”, die vergleichbar mit den deutschen Pro-Bewegungen ist.
Auch in Spanien sind traditionelle Familienmodelle und Islamfeindlichkeit beliebte Themen
Die thematischen Schwerpunkte der einzelnen Bewegungen ähneln sich vor allem in den Aspekten des traditionellen Familienmodells, also der Aussprache gegen Homosexualität und Abtreibung, sowie die vermeintliche Islamisierung der spanischen Gesellschaft. Immer öfter wird auf Internetseiten gegen den Bau einzelner Moscheen und die vermehrte Einwanderung gegen Muslime gehetzt. Ein weiteres Thema ist, ähnlich wie in Deutschland, die Forderung nach Arbeitsplätzen nur für Spanier. Wobei die Forderungen meist verbunden sind mit Anfeindungen gegen Migranten. Mit dem Wahlspruch “Alto a la invasión” (Stoppt die Invasion) wird auch in Spanien das Bild vom vollem Boot genutzt, um gegen die Zuwanderungsströme, insbesondere aus Afrika, zu hetzen. Andere thematische Schwerpunkte beziehen sich auf die Wirtschaftskrise und die damit verbundene Korruption unter Politikern und Bankern, Antisemitismus, sowie der Verehrung des Nationalsozialismus.
Spanische Rechtsextreme streben eine internationale Vernetzung an
Die Strategien rechtsextremer Gruppen zur Verbreitung der eigenen Gesinnung sind vielfältig: Gern genutzt ist die Durchführung von Demonstrationen durch Arbeiterviertel. Dies dient zum einen zur Mobilisierung neuer Anhänger und Sympathisanten, aber auch zur Einschüchterung von dort lebenden Migranten. Oft finden solche Demonstrationen in Madrid und Valencia statt. Eine zweite Strategie ist die Instrumentalisierung sozial-politischer Themen. Insbesondere die Wirtschaftskrise ist ein beliebtes Thema. Unter dem Motto “Spanier zuerst” wird eine rassistische Arbeitsplatzverteilung propagiert.Damit die Forderungen besser durchgesetzt werden können, versuchen die Rechtsextremen neuerdings auch eine politische Akzeptanz unter etablierten Parteien beziehungsweise innerhalb von EU-Parlamenten zu erreichen.
Zudem streben spanische Faschisten immer mehr eine internationale Vernetzung an – nicht nur über das Internet. Immer öfter werden deutsche Rechtsextreme auf spanischen Demonstrationen gesehen. So reist die NPD regelmäßig zum Franco-Gedenken nach Madrid. Auch andersrum findet der Austausch statt: Am 1. Mai in Berlin nehmen beispielsweise auch spanische Falange-Gruppen teil. Eine Pro NRW Konferenz wurde kürzlich auch von der “Plataforma per Catalunya” besucht und im Februar 2009 demonstrierte die “Alianza Nacional” in Dresden mit.
Rechtsextreme Themen finden teilweise Zustimmung bei der Bevölkerung
Von diesen Strategien angesprochen werden neben Ex-Francisten und Franco-Sympathisanten auch Arbeiter und unzufriedene Bürger. Schwerpunktmäßig verlagert sich das Interesse von Rechtsextremen aber auch immer mehr auf Jugendliche. So sind neben Demonstrationen, auch Konzerte und Fußballstadien wichtige Rekrutierungsorte zur Gewinnung neuer Anhänger geworden.
Wie groß die Gefahr ist, dass rechtsextreme Strategien Erfolg haben können, zeigen diverse Umfrageergebnisse des Centro de Evolución Sociologicas (CIS). So nimmt insbesondere die Ausländerfeindlichkeit immer mehr zu: 77 Prozent sind der Ansicht, dass die Zahl, der in Spanien lebenden Migranten zu hoch sei. 39 Prozent lehnen den Bau von Moscheen ab. 17 Prozent können sich vorstellen, dass Parteien mit rechtsextremer Ideologie in der breiten Bevölkerung akzeptiert werden könnten und eine deutliche Ablehnung gegenüber Juden haben 46 Prozent und gegen Muslime 52 Prozent. Dies zeigt deutlich, dass es viele Anknüpfungspunkte für Rechtsextreme in der Bevölkerung gibt.
Rechtsextreme besitzen momentan keine politisch wichtige Relevanz
Trotz dessen zeigen die Ergebnisse verschiedener Wahlen, dass rechtsextreme Parteien noch nicht etabliert sind: So bekamen bei der Parlamentswahl von 2008 die rechtsextremen Parteien nur 0,2 Prozent der Stimmen. In Spanien besitzen rechtsextreme Parteien besitzen momentan keine parlamentarische und nur eine geringe soziologische Relevanz. Zudem ist die rechtsextreme Szene untereinander relativ zerstritten – so gibt es etwa 13 Falange-Gruppen, die teilweise nicht miteinander arbeiten. Desweiteren besitzt die spanische rechtsextreme Szene keinerlei charismatische Führungspersönlichkeiten, die in der Bevölkerung Sympathien erwecken könnten.
Was für eine reale Gefahr Rechtsextremismus in Spanien trotzdem ist, zeigt die hohe Zahl rechtsextremer Gewalttaten. So wurden seit 1991 rund 800 Todesopfer gezählt. Jährlich passieren circa 4000 Vorfälle und Angriffe mit rechtsextremem Hintergrund.
Um dem entgegenzuwirken, kann der Austausch deutscher und spanischer Praktiker auf dem Kongress ein Startschuss dazu sein, demokratische Handlungskonzepte zu erarbeiten, die auch länderübergreifend inspiriert sind und einen internationalen Austausch der einzelnen Beratungsstellen ermöglichen.
(Dana Fuchs)