Ein eigenes Nazi-Zentrum für Konzerte, Schulungen und Kneipenbetrieb mitten in der Stadt – davon träumt die rechtsextreme Szene in Berlin schon seit Jahren. Jetzt warnt der Verfassungsschutz vor Hausinteressenten aus dem rechtsextremen Spektrum. Es gebe “aktuell konkrete Bemühungen, kleinere bis mittlere Immobilien für entsprechende Zwecke zu mieten, zu pachten oder sogar zu kaufen”.
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Infrage kämen Ladenlokale, Büro- und Lagerräume sowie preisgünstige Grundstücke. Dabei würden die Rechten nicht nur als Privatpersonen auftreten, sondern auch als sozial engagierter Verein. Ziel sei es, “dezentral Anlaufpunkte für rechtsextremistische Jugendliche und Jungerwachsene zu etablieren”. Bislang stehen die Bezirke Pankow, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Neukölln im Mittelpunkt – mit Ausnahme von Neukölln alles Bezirke im Ostteil der Stadt.
Nach Angaben des Verfassungsschutzes stecken sogenannte “Autonome Nationalisten” hinter den Aktionen, ein Sammelbegriff für junge, erlebnisorientierte und äußerst gewalttätige Neonazis. Die fordern schon seit 2003 mit jährlichen Demonstrationen die “Schaffung eines Nationalen Jugendzentrums”, das man aber keineswegs mit “irgendwelchen kriminellen Ausländern oder generell Menschen anderer Herkunft” teilen wolle. Es gehe darum, “die eigene Kreativität unabhängig von pseudodemokratischen Schulmeinungen auszuprobieren”, heißt es auf Flugblättern.
Einen ersten Versuch, einen rechten Treffpunkt einzurichten, gab es nach Informationen des Verfassungsschutzes bereits in Pankow. Dort wurde von Januar bis Juni 2010 heimlich ein Ladenlokal als Treffpunkt der örtlichen Nazi-Szene betrieben. Auf einschlägigen Internetseiten finden sich Berichte von dortigen Schulungen und Vorträgen beispielsweise über SA-Sturmführer Horst Wessel. Weshalb die Rechtsextremisten das Objekt vor einem Monat aufgaben, ist nicht bekannt. Die Adresse bleibt aus “Datenschutzgründen” geheim, heißt es beim Verfassungsschutz.
“Über rechtsextreme Zentren versuchen Neonazis gezielt Jugendliche, die offen für rechtes Gedankengut sind, anzusprechen und langfristig an die Szene zu binden”, sagte Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). “Solche Infrastruktur bringt gleichzeitig einen Zustrom von Rechtsextremen aus anderen Stadtteilen und erhöht damit die Gefährdung potenzieller Opfer von Neonazis.” Das Beratungsteam stellt auf seiner Internetseite ausformulierte Klauseln für Mietverträge bereit, um einen Missbrauch der Räume durch Rechtsextremisten zu verhindern.
“Es darf nicht sein, dass in unserer Stadt ein rechtsextremes Jugendzentrum entsteht”, sagte die jugendpolitische Sprecherin der Grünen, Clara Herrmann. Die Bezirke und private Vermieter müssten jetzt besonders wachsam sein.
Derzeit gibt es in Berlin nur zwei zentrale Nazi-Treffpunkte, in denen auch Veranstaltungen durchgeführt werden: die NPD-Bundeszentrale in Köpenick und die rechte Kneipe “Zum Henker” im selben Stadtteil.
(_Johannes Radke_)