Ansinnen und Strategien der Naziszene in den BVV untersucht eine Studie der »Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin« (mbr), die jetzt veröffentlicht wurde. Unter dem Titel »Kampf um die Rathäuser« wird analysiert, mit welchen Hintergründen und Methoden vornehmlich die NPD-Abgeordneten in den Kommunalparlamenten agieren.
Die Anhängerschaft, auch aus dem Kameradschaftsspektrum und aus dem aktionsorientierten Rechtsextremismus, »soll noch stärker an die NPD gebunden werden, indem sie sich als die einzige öffentlichkeitswirksame Fürsprecherin der rechtsextremen Ideologie etabliert«, heißt es in dem Papier. Andererseits sollen neue Schichten gewonnen werden.
Im Verlaufe der bisherigen Legislaturperiode sei bei den NPD-Abgeordneten ein Kompetenzzuwachs zu beobachten, der zunehmend dazu genutzt werde, die BVV-Geschäftsordnung für ihre Zwecke zu nutzen. Durch Anfragen an die jeweiligen Rathäuser sind die braunen Verordneten bemüht, Informationen zum Kampf gegen politische Gegner zu erlangen. Geld- und Sachmittel, die der NPD zugestanden werden, nutzt man »zum Ausbau und zur Verstetigung der Infrastruktur« und bringen Funktionäre und Anhänger in Lohn und Brot.
Als Ziele mit dem Blick auf die Landtage und den Bundestag erweisen sich »permanente Präsenz rechtsextremer Positionen im kommunalen Raum, die Senkung der Tabuschwelle durch strategisch eingesetzte Provokationen und die zunehmende Verankerung des Rechtsextremismus in allen Bereichen der Gesellschaft«.
Vielfach wird versucht, mit den Verordneten der demokratischen Parteien persönliche Kontakte aufzubauen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, um die in allen BVV übliche Isolation der Rechtsextremen aufzubrechen. Anhänger aus der Kameradschaftsszene besetzen nicht selten die Stühle der Besucher, um mit Zwischenrufen und Beifall zu provozieren.
Von Zeit zu Zeit werden NPD-Verordnete durch die Berliner Abteilung der Partei geschult und mit Argumentationshilfen versorgt. Auffällig ist, dass gewisse Anträge und Anfragen nahezu zeit- und wortgleich in den fünf BVV gestellt werden. Oftmals begnügt man sich aus taktischen Gründen zunehmend mit Änderungsanträgen.
Das Grundthema der NPD, die Verbrechen des Faschismus zu relativieren, zieht sich auch durch die BVV-Sitzungen. Wie es in der Analyse heißt, begründete ein NPD-Mann aus Marzahn einen Antrag, der vertriebenen Deutschen zu gedenken, u. a. damit, dass kein Volk im letzten Weltkrieg so schlimm gequält worden sei wie das deutsche.
Migration bleibt Hauptthema der NPD-Verordneten. Bekannt ist das Beispiel, dass ein Verordneter in Lichtenberg beantragte, die Migrations- und Integrationsbeauftragten in den Rathäusern in »Beauftragte für Ausländerrückführung« umzubenennen. Man greift soziale Probleme auf, um sie auf Kosten von Migranten lösen zu wollen. In Wortbeiträgen ohne vordergründig ideologischen Gehalt ist man bemüht, Stimmungen und Ängste der Leute aufzugreifen, sich als Anwalt des kleinen Mannes, seiner Sorgen und Nöte, als »völkischer Kummerkasten« darzustellen.
Weil ein demokratischer Minimalkonsens in den BVV die Handlungen der NPD einschränkt, stellt man sich als Opfer einer Meinungsdiktatur dar. Ein solcher »Mythos ist integraler Bestandteil ihres Selbstbildes«, heißt es in der Studie. Sie macht aufmerksam, dass »die NPD auf vielen Ebenen mit dem militanten Rechtsextremismus verwoben ist«, was sich auch in personellen Verquickungen mancher Verordneter ausdrückt.
Hauptadressat einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem parlamentarischen Rechtsextremismus seien nicht NPD-Verordnete, sondern die Bürger. Grundsätzlich solle auch weiterhin Anträgen der NPD nicht zugestimmt werden. Zwar könne man kaum verhindern, dass die Rechtsextremisten in den BVV einem Antrag der demokratischen Parteien zustimmen. In keinem Falle dürfe mit NPD-Stimmen kalkuliert werden. Und jedwede Ablehnung müsse inhaltlich und öffentlich begründet werden.
»Kampf um die Rathäuser«, Berliner Kommunalpolitik zwischen rechtsextremer Normalisierungsstrategie und demokratischem Handeln. www.mbr-berlin.de.
( Rainer Funke)