Einschätzung zum geplanten Aufmarsch von Rechtsextremen und Putin-Anhänger_innen am 9. September in Berlin

Ein Zusammenschluss aus Anhänger_innen des russischen Präsidenten Putin und Mitgliedern wenig relevanter rechtsextremer Splittergruppen plant am 9. September einen Aufmarsch durch das Berliner Regierungsviertel. Der Aufmarsch ist unter der Parole „Frieden – Freundschaft – Souveränität – Zukunft für Deutschland“ von 12:00 bis 17:00 Uhr angemeldet und soll vom Platz des 18. März vorbei am Kanzleramt und von dort über die Kronprinzenbrücke zur Straße Unter den Linden führen. Der Aufmarsch wird auf dem Weg zurück zum Brandenburger Tor am Holocaust-Mahnmal vorbeiziehen.

Hinter dem Aufmarsch steckt der Zusammenschluss „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“, ein angeblich im Mai 2023 gegründeter Verein, der bislang jedoch nicht eingetragen ist. Der Verein setzt sich aus verschiedenen, wenig relevanten Protagonist_innen der rechtsextremen Szene zusammen, die sich unter dem Label „Aufbruch“ zusammengefunden hatten und seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Anfang 2022 gemeinsam mit Anhänger_innen des russischen Präsidenten agitieren.

Der Verein besteht einem rechtsextremen Medienprojekt zufolge aus einer Doppelspitze. Eine der beiden Vorsitzenden soll die Organisatorin prorussischer Autokorsos aus Köln sein, mit denen seit dem offenen Kriegsbeginn in der Ukraine mehrfach die Unterstützung Putins ausgedrückt wurde. Anfang Juni 2023 wurde sie deswegen vom Kölner Amtsgericht zu einer Geldstrafe wegen Billigung des Angriffskriegs verurteilt. Zudem wurde ihre Wohnung erst Ende August aufgrund des Verdachts auf einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz von einem SEK durchsucht.

Zweiter Vorsitzender des Vereins soll der ehemalige Fraktions- und Landesvorsitzende der AfD Sachsen-Anhalt sein. 2015 gehörte er zu den Initiatoren der völkisch-nationalistischen „Erfurter Resolution“, die wesentlich war für die Bildung des rechtsextremen „Flügels“ innerhalb der AfD. Nachdem er 2019 die Partei verlassen, kurzzeitig ein rechtsextremes Konkurrenzprojekt gegründet und auch dieses noch im selben Jahr wieder verlassen hatte, plante er im Januar 2020, eine bundesweite „Interessenvertretung“ unter dem Namen „Aufbruch Deutschland 2020“ ins Leben zu rufen.

Verkündet wurden diese Pläne beim Neujahrsempfang der Vereinigung „Aufbruch Leverkusen“, einer Nachfolgeorganisation der rechtspopulistischen, geflüchteten- und islamfeindlichen Vereinigung „Pro NRW“. Deren einstiger Chef vertrat als Anwalt nicht nur die in Rede stehende Vorsitzende im Verfahren wegen der Billigung des Angriffskriegs, er trat auch selbst in Werbevideos von „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ auf.

Alle drei sind in der jüngeren Vergangenheit zusammen bei pro-russischen Aufmärschen und Veranstaltungen aufgetreten, wie beispielsweise im Februar dieses Jahres bei einer Demonstration vor der US-Luftwaffenbasis in Ramstein mit etwa 2.500 Teilnehmenden. Zudem traten die drei beim diesjährigen Sommerfest des rechtsextremen „Compact Magazins“ neben Angehörigen der „Identitären Bewegung“ und AfD-Politiker_innen auf, das auf dem Grundstück des „Aufbruch“-Vorsitzenden stattfand.

Das „Aufbruch“-Label soll nach den Plänen ihrer Initiator_innen offensichtlich als Sammelbecken für ein heterogenes rechtes Milieu dienen: einerseits für diejenigen, welche die AfD aus unterschiedlichsten Gründen verlassen haben oder sich nicht (mehr) von ihr vertreten fühlen, aber dennoch inhaltliche Schnittmengen zur Partei aufweisen; andererseits für geflüchteten- und islamfeindliche Protagonist_innen, Angehörige aus der verschwörungsideologischen Corona-Protestszene sowie für dezidierte Putin-Fans. Ein Bündnispartner ist das rechtsextreme „Compact-Magazin“, das die inhaltlichen Standpunkte dieses Spektrums vertritt.

Neben „Aufbruch Leverkusen“ existiert mit „Aufbruch Gera“ seit März 2023 eine zweite Regionalgruppe, die von den rechtsextremen Organisatoren der Corona-Proteste in der thüringischen Kleinstadt gebildet wurde. Am 1. Mai 2023 organisierten sie einen rechtsextremen Aufmarsch mit rund 700 Teilnehmenden. Ob die neue Gruppierung „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ nun den Dachverband „Aufbruch Deutschland 2020“ ersetzt, bleibt indes offen. Ein Berliner Ableger existiert bisher nicht.

Dass die autoritäre Herrschaft Putins von Protagonisten der rechten Szene befürwortet wird, ist kein neues Phänomen, sondern seit Jahren zu beobachten. Bereits bei Aufmärschen von Pegida und ihren Ablegern waren regelmäßig Russlandfahnen und Schilder, die Putin als Heilsbringer verklärten, zu sehen.

Aufgrund dieser Situation muss der für den 9. September geplante Aufmarsch in Berlin als ein erneuter Versuch auswärtiger Rechtsextremer gewertet werden, ihre Inhalte durch Präsenz im Regierungsviertel politisch aufzuwerten.

Allerdings lässt sich derzeit kaum eine Thematisierung des Termins außerhalb der virtuellen Kanäle des „Aufbruch“-Zusammenschlusses feststellen. Auch Unterstützung durch reichweitenstarke Accounts ihrer Bündnispartner findet sich aktuell nicht, was gegen eine größere Anzahl von Teilnehmenden sprechen dürfte. Zudem ist zeitgleich aus einem ähnlichen verschwörungsideologischen Protestmilieu mit einem Aufmarsch unter dem Motto „Solidarität mit den Impfgeschädigten“ in der City-West eine Konkurrenzveranstaltung in Berlin angekündigt.

 

Stand: 06. September 2023