Rechtsextreme dringen in eine Stadtbibliothek ein, um eine Kinderbuchlesung zu stören. Verschwörungsideologische oder rassistische Bücher gelangen über die Bestsellerlisten in die Regale von Bibliotheken. In einer Bibliothek werden mehrfach Bücher, die sich kritisch mit Rechtsextremismus befassen, mutwillig zerstört. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen: Der Kulturkampf von rechts ist in Bibliotheken angekommen.
Die neue 60-seitige Publikation der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) „Alles nur leere Worte? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts in Bibliotheken“ widmet sich dieser Herausforderung und gibt zahlreiche Tipps für die Praxis: zur Erstellung eines demokratischen Leitbilds, zum souveränen Umgang mit rechten Medien im Bestand, zur störungsfreien Durchführung von Veranstaltungen oder zum Umgang mit Anfeindungen, nicht zuletzt aus dem parlamentarischen Raum.
Heute hat MBR-Projektleiterin Bianca Klose die Handreichung gemeinsam mit Senatorin Cansel Kiziltepe (Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung), Dr. Tom Becker (Direktor der Stadtbibliothek Hannover) und Dr. Boryano Rickum (Leiter der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg) in der Staatsbibliothek zu Berlin in Anwesenheit von Presse und Fachpublikum vorgestellt.
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Beratungsanfragen zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts erhalten, zunehmend auch von Bibliotheken. Die Broschüre wurde gemeinsam mit Praktiker_innen aus dem Bibliothekswesen konzipiert und soll diese vor Ort dabei unterstützen, eigene Kommunikations- und Handlungsstrategien zu entwickeln.
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Senatorin Cansel Kiziltepe unterstrich: „Rechtsextremistisches Gedankengut nimmt nicht nur im Internet immer mehr Raum ein. Auch in Bibliotheken, Schulen und Kultureinrichtungen versuchen rechtsextreme Kräfte, ihre Ideologien und menschenfeindlichen Ideen zu verbreiten und immer häufiger bekommen sie dafür Unterstützung und Beifall. Doch gerade diese Räume sind gelebte Orte der Demokratie. Es ist deshalb unabdingbar, dass wir sie wehrhaft machen gegen jede Art von Hass und Gewalt und sie fördern und erhalten als Orte der Toleranz und der politischen Bildung. Umso wichtiger ist heute die professionelle und engagierte Arbeit der Menschen in der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin, die uns seit mehr als 20 Jahren unermüdlich zeigen, wie wir uns dagegen wehren können, um Demokratie, kulturelle Vielfalt und Offenheit zu erhalten.“
„Bibliotheken sind keine wertneutralen Orte zur Aufbewahrung und Ausgabe von Büchern. Sie verstehen sich als Orte der Aufklärung, der Begegnung und des Miteinanders und sind wie alle demokratischen Errungenschaften keineswegs selbstverständlich. Daher gilt es, sie zu schützen. Allein die Aufgabe, ein Ort der Öffentlichkeit zu sein, fordert von den Bibliotheken, sich in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Polarisierung zu verorten und sich mit einer klaren Haltung und dem notwendigen Rüstzeug dem Kulturkampf von rechts entgegen zu stellen“, so MBR-Projektleiterin Bianca Klose.
Dr. Tom Becker, Direktor der Stadtbibliothek Hannover und über das bibliotheksinterne Netzwerk „Medien an den Rändern“ an der Konzeption der Broschüre beteiligt, ergänzte: „Lange habe ich in dieser Debatte den Begriff des ‚Kulturkampfes‘ vermieden, aber die unterschiedlichsten Angriffe gegen Fakten, Redefreiheit und auch gegen die im Grundgesetz verbürgte unantastbare ‚Würde des Menschen‘, das zunehmend intendierte Verschieben von Grenzen des Sagbaren und die unverhohlenen Angriffe gegen Vielfalt und Pluralismus, gegen Informations- und Meinungsfreiheit verlangen auch von uns Bibliotheken eine deutliche Positionierung: parteipolitisch neutral, demokratiepolitisch mit wehrhafter Haltung!“
Selbst betroffen von Buchzerstörungen war die Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg, deren Leiter Dr. Boryano Rickum berichtete:„Wir haben gezeigt, wie Bibliotheken und Stadtgesellschaft sich deutlich gegen demokratiefeindliche Aktionen positionieren können. Durch die Veranstaltungsreihe STARKE SEITEN, Lesungen aus den zerstörten Werken und weiteren Formaten haben wir das Gegenteil der mutmaßlichen Intention der Buchzerstörungen erreicht: Themen wie Rechtsextremismus, Verschwörungserzählungen oder Hate Speech wurden breit und offensiv in den öffentlichen Diskurs gebracht. Die Taten publik zu machen, war eine bewusste Entscheidung, weil sie gegen alles stehen, wofür wir als Bibliothek eintreten. Mit der Zerstörung von Büchern, wohl wissend um die symbolische Bedeutung, wurde eine Grenze überschritten, bei der wir nicht untätig bleiben konnten.“
Weitere Stimmen zur Veröffentlichung der MBR-Publikation
Prof. Dr. Achim Bonte, Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, kommentiert: „Gegen ultimative Weltsichten bieten Bibliotheken nicht nur leere Worte. Mit Veranstaltungen wie dem Gedenken an die Bücherverbrennung von 1933 erinnern wir daran, wie Chauvinismus und Menschenfeindlichkeit gerade in Deutschland schon einmal Not und Verzweiflung über das Land gebracht haben. Als Einrichtung mit besonders hohem Image und Zuspruch aus allen Teilen der Gesellschaft, bieten wir zugleich geschützte, niedrigschwellige Räume der gesicherten Information und Meinungsfreiheit. Bibliotheken sind somit wesentliche Garanten für den Erhalt und die Kräftigung unserer offenen Gesellschaft.“
Renate Künast, Mitglied des Deutschen Bundestages und Vizepräsidentin des Deutschen Bibliotheksverband, sagt: „Bibliotheken sind Orte der Begegnung, der Vielfalt und der Aufklärung. Sie sind offene Orte für alle. Das ist das Besondere. Deshalb schützen wir Bibliotheken und ihre Bestände vor den Feinden der Demokratie und der Menschenwürde. Für mich sind Bibliotheken unerlässliche Infrastruktur, hier lernen wir lesend, zuhörend und diskutierend über unsere und andere Kulturen. Rechtsextreme wollen genau das verhindern. Wir werden selbstbewusst die Kultur des Wissens, Lernens und Freundschaften Schließens verteidigen.“
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Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin
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