Die neu gewonnenen Mandate bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 30. August seien dabei allerdings noch nicht berücksichtigt. In Sachsen gelang der NPD am selben Tag erstmals der Wiedereinzug in einen Landtag. Was tun, wenn Rechte in Parlamenten reüssieren?
Über Strategien im Umgang mit Neonazis auf dem politischen Parkett wurde am Donnerstag abend im Centrum Judaicum in Berlin-Mitte beraten. Der “Verein für demokratische Kultur” (vdk) hatte 100 Tage nach den Kommunalwahlen in sieben deutschen Bundesländern, bei denen extrem rechte Parteien zum Teil kräftige Stimmenzuwächse einfuhren, zur Podiumsdiskussion geladen.
Vor allem die NPD hätte mittlerweile ein “stabiles rechtes Stammwählerpotential”, sagte Bianca Klose, Geschäftsführerin des vdk. Für ihn sei es erschreckend gewesen, so Timo Reinfrank, daß in vielen sächsischen Gemeinden ausschließlich Wahlplakate der NPD zu sehen waren. “Andere Parteien haben der NPD diese Dörfer einfach geschenkt”, so Reinfrank.
Tatsächlich ist die rechte Truppe im Freistaat flächendeckend vertreten. Bianca Klose betonte, daß es deshalb wichtig sei, den “Spielraum der rechtsextremen Politiker einzuschränken, ohne ihre parlamentarischen Rechte zu beschneiden”. Das scheint durchaus möglich. Sylvia Bretschneider (SPD), Präsidentin im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD seit 2006 vertreten ist, berichtete, daß in Schwerin die “demokratischen Parteien im Umgang mit der NPD klare Spielregeln” entwickelt hätten. So reagiere nicht die Regierung auf Anträge der NPD, sondern jeweils nur eine der anderen im Landtag vertretenen Parteien. Der Vorteil: Dem jeweiligen Parlamentarier stehe so die gesamte Redezeit aller demokratischen Fraktionen zu. Dadurch könnten NPD-Anträge “gründlich auf ihren wahren ideologischen Kern hin analysiert” werden, so Bretschneider.
Ob das ausreicht, bleibt abzuwarten. Miro Jennerjahn, Abgeordneter der Grünen im Dresdner Landtag, äußerte die Befürchtung, daß sich die neue achtköpfige NPD-Fraktion nicht so schnell selbst zerlegen werde wie in der vorangegangenen Legislaturperiode. Die Partei um Landeschef Holger Apfel war 2004 mit zwölf Abgeordneten in den Landtag gewählt worden, am Ende waren es wegen mehrerer Parteiaustritte und dem Ausschluß von Klaus-Jürgen Menzel nur noch acht. “Die neu gewählten NPD-Abgeordneten sind nicht auf den Kopf gefallen”, glaubt Jennerjahn.
Im benachbarten Thüringen ist man dagegen noch mal mit einem blauen Auge davongekommen. Die NPD hatte den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde knapp verfehlt. Ein Grund zur Entwarnung ist das jedoch nicht. Sabine Berninger (Die Linke), Mitglied des thüringischen Landtags, appellierte angesichts des NPD-Ergebnisses von 4,3 Prozent bei den Wahlen an die Parlamentarier in Erfurt, in ihrem Bundesland “endlich ein Landesprogramm gegen rechts aufzulegen”. Zwar hatten Linkspartei und SPD in der letzten Legislaturperiode einen entsprechenden Antrag in den Landtag eingebracht, der scheiterte allerdings am Widerstand der CDU.
Anderswo ist man bei der Union schon weiter. Götz Ulrich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde An der Finne in Sachsen-Anhalt, sieht die meisten Defizite im Umgang mit extrem rechten Parteien auf der kommunalen Ebene; “insbesondere dann, wenn politische Funktionen ehrenamtlich ausgeübt werden”. Er fühle sich mit dem Problem Rechtsextremismus oft alleingelassen, beklagte Ulrich. Beispielsweise würde “die Justiz häufig viel zu langsam und wenig entschieden gegen rechte Straftäter” vorgehen. Matthias Schmidt, SPD- Bezirksverordneter in Treptow-Köpenick, berichtete von seiner Erfahrung mit der dreiköpfigen Fraktion der NPD in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), der auch deren Bundesvorsitzender Udo Voigt angehört. Die parlamentarische Arbeit der Neofaschisten, so Schmidt, falle eher bescheiden aus. Bei den 19 BVV-Sitzungen der vergangenen zwei Jahre habe die NPD gerade mal 14 Anträge eingebracht. Bei den Grünen, die nur über einen Bezirksverordneten mehr verfügen, seien es im gleichen Zeitraum 170 Anträge gewesen.
Von Lothar Bassermann