Der Aufdruck des T-Shirts ist an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten. „Killer Döner – Nach Thüringer Art“ steht dort in weißer Schrift auf schwarzem Grund, darunter ein Totenschädel aus Döner-Fleisch mit zwei gekreuzten Döner-Messern – als Verherrlichung der Taten der Zwickauer Terrorzelle. Kosten: 18,95 Euro plus Versand. Die Website, die das Shirt angeboten hatte, ist mittlerweile vom Netz. Aber in der Neonazi-Szene erfreuen sich Kleidungsstücke wie dieses offenbar großer Beliebtheit.
Während Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nahezu täglich das Versagen des Verfassungsschutzes kommentieren muss, ist für den Kampf gegen solch rechtes Gedankengut auch eine CDU-Frau verantwortlich: Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Sie steht nach dem Skandal massiv in der Kritik – und zwar nicht nur von Seiten der Opposition. Denn dort, im Familienministerium, sind die Programme angesiedelt, die Initiativen gegen rechts unter anderem mit Geld ausstatten. Diese Vereine und Organisationen, die seit vielen Jahren gegen Neonazis kämpfen und häufig selber von rechten Schlägern bedroht werden, sprechen von einer Atmosphäre des Misstrauens. Und die äußere sich nirgendwo so deutlich wie in der umstrittenen „Extremismusklausel“, an der Schröder nach wie vor festhält.
Initiativen sprechen von „bodenloser Frechheit“*
Dabei geht es darum, dass die Initiativen seit Anfang des Jahres eine Demokratie-Erklärung unterzeichnen müssen; damit sollen sie nicht nur sich selbst darauf verpflichten, für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen, sondern auch jeden ihrer Geschäftspartner und Mitarbeiter. „Das ist eine unglaubliche Zumutung. Durch die Klausel wird sehr viel Misstrauen gegenüber uns und unserer Arbeit ausgedrückt“, sagt Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. „Schließlich sind wir die Menschen, die Tag für Tag für Demokratie einstehen.“ Dabei basiere die Arbeit gegen rechts vor allem auf einem: Vertrauen. „Frau Schröder aber erwartet, dass wir die Leute durchleuchten, die Namen googeln, in Lebensläufe und Verfassungschutzberichte gucken, wer auf Frau Schröder extremistisch wirken könnte.“ Hinweise darauf soll laut den „Hinweisen zur Erklärung für Demokratie“ ausgerechnet der Verfassungsschutz liefern.
Klose hat die Klausel nicht unterschrieben – mit der Konsequenz, dass ihr Projekt nun vor einer finanziell unklaren Zukunft steht. Denn wer nicht unterzeichnet, bekommt kein Geld vom Bund. „Das ist Erpressung und eine ganz, ganz schwierige Entscheidung“, sagt Klose. Die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung dagegen hat unterschrieben – aus einem einfachen Grund, erklärt deren Vorsitzende Anetta Kahane: „Obwohl wir das politisch nicht gut finden, mussten wir unterschreiben. Sonst hätten wir schlicht nicht weiterarbeiten können.“
Schröder glaubt angeblich an gute Zusammenarbeit*
Schröder will allerdings an der Klausel festhalten. „Die Demokratieerklärung bleibt! Es geht hier schließlich um staatliche Gelder für die Stärkung der Demokratie“, erklärt sie FOCUS Online. „Da reicht es nicht, zu wissen, wogegen jemand ist. Man muss auch wissen, wofür er steht.“ Die Ministerin nimmt die Unterschriften als Beweis dafür, dass ihr Kurs richtig ist. „Mit einigen der besonders kritischen Initiativen arbeite ich übrigens eng und gut zusammen“, sagt sie. „Die haben im Übrigen alle die Demokratieerklärung unterzeichnet.“
Die Klausel könnte bald auf der Kippe stehen. Erstens, weil der Verein „AkuBiZ“ aus Pirna dagegen Klage beim Verwaltungsgericht Dresden eingereicht hat. Zweitens, weil zwei Gutachten schon vor einiger Zeit zu dem Schluss kamen, dass die Klausel rechtlich nicht ganz einwandfrei ist. Drittens, weil im Bundestag zuletzt nicht nur die Opposition Kritik übte, sondern CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zumindest nicht ausdrücklich dafür eintrat, weiter an der Klausel festzuhalten. Die Vorwürfe gegen Schröder reichen allerdings noch tiefer.
„Arroganz, wie wir sie vorher nicht erlebt haben“
Vereinsvertreter sprechen davon, dass Schröder den gesamten Kampf gegen Extremismus ideologisch auflade und viele Initiativen gegen Rechts als vermeintliche Linksextremisten kriminalisiere. Deswegen kann sie der Hinweis darauf, dass die Extremismusklausel auch für Initiativen gegen Linksextremismus oder islamistischen Terror gilt, nicht beruhigen. Denn: Statt die Vereine und Organisationen zu unterstützen, zeuge Schröders gesamte Amtsführung von Misstrauen. Auf Anregungen gehe sie ebenso wenig ein wie auf Kritik. „Das ist eine Arroganz, wie wir sie vorher noch nie erlebt haben“, sagt Klose.
So sei die Klausel letztlich nur ein weiterer Knüppel, der ihr zwischen die Beine geworfen werde, sagt die Amadeu-Antonio-Vorsitzende Kahane: „Wir müssen unendlich viele Bögen ausfüllen, Bürokratie und Kontrolle haben in den vergangenen zwei, drei Jahren erheblich zugenommen.“ Dass die Ministerin im Oktober 2010 von rassistischer „Deutschenfeindlichkeit“ sprach, wirkt da nicht unbedingt hilfreich, im Gegenteil: Nach Ansicht vieler Initiativen verharmloste sie damit den Rechtsextremismus. Dass sie zuletzt eine Studie zu Zwangsehen komplett umdeutete, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, passt da ins Bild.
Vielen Projekten fehlt das Geld
Hinzu kommt die unsichere Finanzausstattung der meisten Projekte. So müssen sogenannte „Modellprojekte“ seit 2007 eine Kofinanzierung von 50 Prozent aufbringen. Die Hälfte des Budgets muss also aus anderen Mitteln stammen – während es bei Projekten gegen Linksextremismus oder gegen islamistischen Terror nur 10 Prozent sein müssen. Der Grund: Diese beiden Programme seien sehr neu, die gegen rechts dagegen etabliert, erklärt ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums. Für Kahane ist das kein Argument – unter anderem, weil für ihr Modellprojekt „No-Nazi-Net“ im kommenden Jahr nach ihren Angaben 80 000 Euro fehlen. „Im Vergleich mit dem, was in einer Werbeagentur ausgegeben wird oder im Ministerium, ist das ein lächerlicher Betrag“, sagt sie. Trotzdem wird das Projekt – nach heutigem Stand – eingestellt werden müssen.
Schröder verweist in diesem Zusammenhang vor allem auf eigene Zahlen. „Diese Regierung gibt fast fünfmal so viel Geld für den Kampf gegen Rechtsextremismus aus wie für den Kampf gegen Linksextremismus, schon das zeigt, dass wir beide Extremismus-Gefahren nicht gleichsetzen“, sagte sie kürzlich. Und: Keine andere Bundesregierung habe je so viel Geld gegen Rechtsextremismus ausgegeben, nämlich 24 Millionen Euro im Jahr 2011.
Das Geld kommt häufig nicht an
Aber Geld ist eben nicht alles. Entscheidend ist, wie und ob dieses Geld auch ankommt. Bianca Klose gibt dazu zwei Beispiele. Erstens stehe häufig zu Beginn eines Jahres noch nicht fest, ob die Anträge bewilligt werden. Das bedeutet: Die ersten Wochen oder gar Monate müssen viele Projekte aus eigener Tasche vorfinanzieren. Zweitens: Der Schwerpunkt der Förderung liegt auf den sogenannten „lokalen Aktionsplänen“. Hier enscheidet die Kommunalpolitik. Um ein Programm gegen rechtes Gedankengut anzuerkennen, müsse die jeweilige Kommune aber erst mal zugeben, ein Rassismus-Problem zu haben. Das sei in vielen Fällen unrealistisch.
Nach der Bundestags-Debatte zu den Morden der Zwickauer Terrorzelle kündigte Schröder an, dass bis Ende des Jahres zwei Millionen Euro mehr zur Verfügung stünden. Denn Ende November kommt das Geld wohl gar nicht mehr an. „Bis Ende des Jahres vielen Initiativen nun ein paar tausend Euro mehr zu versprechen, geht an dem Problem vorbei und ist Augenwischerei“, sagt Klose. „Den Engagierten fehlt zwar Geld an jeder Stelle, aber was sie brauchen, ist eine langfristige Planungssicherheit und kein Geldsegen für vier Wochen.“
„Kleinteilige Krachmacherei“
Nicht alle Programme hat Schröder zu verantworten, sondern unter anderem ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU). Doch statt die Programme zu verbessern und für eine positive Atmosphäre zu sorgen, hält sie nach Ansicht der Initiativen an purem Aktionismus fest. „Der Staat ist nicht sehr stark gegenüber den großen Fragen unserer Zeit, dem Klimawandel oder dem Finanzsystem“, sagt Kahane. „Umso mehr bläht er sich auf in Richtung kleinteiliger Krachmacherei gegenüber der Zivilgesellschaft.“
Der Skandal um die Zwickauer Terrorzelle hat Schröder jedenfalls nicht von ihrer Meinung abbringen können. Sie selbst hält dieses Festhalten für einen ganz normalen politischen Vorgang. Sie habe schließlich auch erfolgreich dafür gekämpft, dass das Aussteigerprogramm Exit Deutschland gerettet wird, sagt sie FOCUS Online: „Deswegen werde ich meinen Weg unbeirrt fortsetzen.“
Von Peter Seifert