Auf die Enttarnung einer Gruppe von Rechtsterroristen folgt jetzt eine Kehrtwende der Bundesregierung. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte die Haushaltsmittel für Bürgervereine, die sich gegen Links- und Rechtsextremismus engagieren, in ihrem Etat um 2 Mio. Euro auf 27 Mio. Euro gekürzt.
Durch einen Änderungsantrag zum Haushaltsgesetz solle die jüngste Kürzung von Ministerin Schröder rückgängig gemacht werden, sagte am Dienstag ein Sprecher von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Schröder wollte vorher bei den Verwaltungskosten 2 Mio. Euro sparen. Bei Bürokratie soll nun weiter gespart werden, die Geldmenge für die Initiativen jedoch steigen.
Mit der Kehrtwende kam Kauder den anderen Fraktionen entgegen und erleichterte ein gemeinsames Signal: Der Bundestag verabschiedete am Dienstag einstimmig eine Resolution, in der er die Mordtaten verurteilte, die Nachkommen der Opfer um Entschuldigung bat und Aufklärung über mögliche Ermittlungspannen verlangte. Gleichzeitig bedeutete die Korrektur im Parlament einen schweren Dämpfer für Schröder.
Die Ressortchefin, die die Geldtöpfe in ihrer Funktion als Jugendministerin verantwortet, hatte die geplanten Kürzungen am Morgen noch verteidigt. Vertreter des Koalitionspartners FDP und auch der Union kritisierten daraufhin das Vorgehen Schröders. Der CSU-Abgeordnete Stefan Müller verlangte, die Programme im Kampf gegen Rechtsextreme weiter auszubauen. Am Ende zeigte er sich zufrieden. “Es ist das richtige Signal,” sagte Müller. Jetzt müsse darauf geachtet werden, dass die Projekte wirklich dazu dienen, junge Menschen von extremistischen Gruppen abhalten.
Bei einer weiteren umstrittenen Änderung der Familienministerin soll es dagegen bleiben: Initiativen müssen seit Jahresbeginn in einer Erklärung geloben, dass sie und alle ihre Projektpartner verfassungstreu sind. “Ich finde, das ist der Demokratie nicht würdig, alle diejenigen, die das tun, die diesen Mut aufbringen, einem Gesinnungs-TÜV zu unterziehen”, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dazu. Schröder erwiderte, die Kritik sei ihr völlig unverständlich. Man dürfe Extremismus nicht mit Extremismus bekämpfen.
Staat zahlt nur Anteil
Bürgerinitiativen wenden sich seit langem gegen die Klausel, weil sie sich unter Generalverdacht gestellt sehen. “Wir fühlen uns gegängelt und misstraut”, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die zahlreiche regionale Jugendprojekte organisiert. Rebecca Weis von der Organisation “Gesicht zeigen” fühlt sich gar vom Bundesministerium erpresst: “Wenn wir nicht unterschreiben, bekommen wir auch keine Förderung”, sagt sie.
Ohnehin scheint der Streit überflüssig zu sein, denn die Ministerin reagiert mit dem Unterschriftenzwang auf einen Missstand, der so gar nicht besteht. Die Bundesregierung selbst hat kein großes Extremismus-Problem bei den Projekten gegen Rechts festgestellt. In einer Antwort auf eine Anfrage von SPD-Abgeordneten heißt es, dass es in keinem Fall Anhaltspunkte dafür gab, dass Extremisten von den Staatsgeldern profitiert haben. Es hätten zwar in drei Fällen Nationalisten wie die türkischen Grauen Wölfe versucht, als Projektpartner einzusteigen. Die Kooperation sei aber wegen deren Ausrichtung nicht zustande gekommen – auch ohne formelle Erklärung.
Rebecca Weis von “Gesicht zeigen” sieht in der Klausel vor allem ein bürokratisches Monstrum. “Würden wir ihr konsequent folgen, müssten wir zu jedem unserer Partner eine Akte anlegen”, sagt sie. Bianca Klose von der “Mobilen Beratung Berlin” hat die Unterschrift verweigert. Die Klausel sei antidemokratisch, sagt die Gründerin. Mit 120.000 Euro wurde ihre Beratung jährlich vom Bund unterstützt. Damit konnte sie Schulen beraten, die Probleme mit rechtsextremen Schülern haben, oder Kleingartenvereine, die Neonazis zu ihren Hauptquartieren auserkoren hatten. 2011 stoppte der Geldfluss jedoch, wegen der fehlenden Unterschrift. Kurzfristig sprang das Land Berlin ein, jedoch nur bis 2012.
Rebecca Weis hat unterschrieben. Gesichert ist ihr Projekt “Wir sind alle” dadurch nicht. Das Projekt versucht, Jugendliche über den Nationalsozialismus aufzuklären. Im August gestartet, hat der Bund Geld für 36 Monate zugesagt. Das Problem: Er finanziert solche Modellprojekte nur noch zur Hälfte.
Vor zehn Jahren stellte die Regierung die Mittel für derlei Vorhaben noch komplett. Bei “Wir sind alle” steht die Mitfinanzierung nur bis Ende des Jahres, 2012 ist Schluss. “Wenn wir niemanden finden, der die andere Hälfte bezahlt, können wir die Mittel des Bundes für die restlichen 31 Monate nicht abrufen”, sagt Weis.
Vorsicht bei V-Leuten
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat größere Sorgfalt bei der Auswahl von V-Leuten angemahnt. Dem Sender N24 sagte er, V-Leute im Umfeld des nun aufgeflogenen Terror-Trios hätten offenkundig nicht die Informationen geliefert, die zu den Tätern geführt hätten. “Insofern bleiben natürlich Zweifel an der Qualität der V-Leute.”
“Müssen wir nicht viel stärker kontrollieren, wer da als V-Mann überhaupt angeworben wird?” fragte Friedrich angesichts der Affäre. Der Bund verfüge über das entsprechende Knowhow und stelle dies den Bundesländern gern zur Verfügung, ergänzte der Minister.
(Frauke Ladleif & Lutz Meier)