Peter Lokk und Gabriele Hooffacker sind des Lobes voll: „Der Alternative Medienpreis braucht gar kein großes Trommeln mehr“, freut sich Lokk, „denn dieses Jahr kamen knapp 120 Bewerbungen, ziemlich gleichmäßig verteilt auf die jeweiligen Kategorien. Und da fällt es oft schwer auszuwählen, weil es so gute Beiträge gibt.“ Wie jedes Jahr siebt erst einmal eine Vorjury die Spreu vom Weizen, dann bleiben immer noch acht bis zehn Beiträge übrig, die dem kritischen Auge, Ohr und Sachverstand der Hauptjuroren standhalten müssen.
Über „Stuttgart 21“ ist landauf, landab dermaßen erschöpfend berichtet worden, dass zu dem Thema alles gesagt zu sein scheint. Robert Schrem kam allerdings die glückliche Fügung zu Hilfe, dass er sein Büro direkt gegenüber dem Nordflügel des Stuttgarter Bahnhofs bezog. Er brauchte nur noch seine Webcam aufbauen, schon konnte jedermann in Echtzeit den Baggerzahn am Bahnhof nagen sehen. Daher der Name „fluegel tv“.
Daraus erfolgte eine blühende Produktion an Reportagen und Interviews mit Gegnern wie Befürwortern, die – anders als in den regulären Medien – nicht auf eine vermeintlich zuschauerfreundlich kurze Zeit zurechtgeschnitten werden, sondern die man in epischer Breite verfolgen kann. Ein Ende ist auch nach der Landtagswahl nicht abzusehen, Robert Schrem nimmt das Angebot des grünen Landesvaters Kretschmann nach kritischer Bürgerbeteiligung mit Kusshand an.
Endlich steht auch mal ein TV-Beitrag aus Nürnberg auf der Preisliste: Carolin Lano drehte für die Fränkische Medienwerkstatt einen Beitrag über den Hesselberg und seine Vergangenheit als Julius Streichers private Reichsparteitagsbühne. Dabei machte Lano die Erfahrung, dass Erinnerungsarbeit direkt verhindert wird, die meisten Zeitzeugen wollen sich nicht mehr dazu äußern.
Während Annika Eckel und Uli Jentsch sich in die finstersten Winkel Berlins vorwagen, um dort neonazistische Umtriebe zu erforschen, betreibt Ulrike Winkelmann Integrationsforschung der anderen Art: Sie interessiert sich für die oberen Zehntausend von Berlin, die aufgrund ihres Reichtums, elitären Denkens und ihres Sicherheitsbedürfnisses den Kontakt zur Normalbevölkerung und zur Wirklichkeit verlieren. Die Erkenntnisse sind mindestens genauso verheerend wie Sarrazins Horrorberichte über bildungsferne Anatolierinnen, die kaum ihre Wohnung verlassen.
Muslimas werden unterdrückt, haben nichts zu sagen und dürfen dem Manne dienstbar sein, so das westlich-feministische Klischee. Eine iranische Einrichtung, die diesem Klischee entgegenzukommen scheint, ist die Zeitehe im Iran. Männer, die es sich leisten können, schließen mit einer Frau eine Ehe auf bestimmte Zeit. Deren Dauer wird vorher festgelegt, ebenso das Brautgeld. Doch Aleksandra Kolodziejczyk entdeckt auch die Vorteile, die sich daraus für die Frauen ergeben. Ehen auf Zeit ermöglichen Frauen eine gewisse Sicherheit, Selbstständigkeit, eine Wohnung, die Möglichkeit zum Reisen – oder einfach das Geld zum Überleben.
Noch ein trostloser Film zum trostlosen Thema Kinderarmut? Marina Bänke und ihr Team beschreiten einen ungewöhnlichen Weg: Ihr Verfall einer Familie durch Kündigung und Arbeitslosigkeit in Alkohol und Tod wird in allen Rollen von Kindern gespielt. Dabei halten sich die Kinder nicht an vorgegebene Textzeilen, sondern improvisieren ihre Dialoge spontan drauflos. Schluss des Dramas: „Ich geh jetzt einen saufen!“