Risse durchziehen die Schaufensterscheibe des Ladens in der Rosa-Luxemburg-Straße 18, das Trottoir ist nach mehreren Attacken mit Farbbeuteln bunt verschmiert. Es ist offensichtlich, dass sich das Geschäft “Tönsberg” nicht gerade harmonisch in sein Umfeld aus schicken Friseuren, Modegeschäften und Kulturbetrieben einfügt. Kein Wunder: “Tönsberg” verkauft ausschließlich die Klamottenmarke “Thor Steinar”, und die tragen Neonazis besonders gerne.
Über Widerstand ohne Farbbeutel und Pflastersteine wird am Donnerstagabend im Roten Salon der Volksbühne diskutiert. Etwa 100 Besucher sind der Einladung des Bezirksbürgermeisters Christian Hanke (SPD) zum runden Tisch gefolgt; man will über den Umgang mit dem Laden beraten. Das Publikum ist bunt gemischt, doch gut angezogene Mittdreißiger dominieren. Ein junger Herr mit Architektenbrille trinkt Gin Tonic, dezent plätschert Ambient-Musik im Hintergrund. Von einem Portrait hinter dem DJ-Pult starrt Lenin mit Denkerblick über die ersten Sitzreihen, doch das ist keine politische Aussage, sondern Style.
Ein Geschäft, das der rechtsextremen Szene als Treffpunkt und Vernetzungsstelle dient, wollen Anwohner und Gewerbetreibende nicht in ihrer Nachbarschaft. In der Bürgerinitiative “Thor Steinar raus aus Mitte” haben sie sich zusammengeschlossen. “Thor Steinar” macht Streetwear und bedient sich einer rechtsextremen Symbolik; der Name erinnert an die nordische Gottheit Thor und den Waffen-SS-General Felix Steiner, erläutert Annika Eckel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Nach ihrer Aussage hat sich der Hersteller nie von der Szene distanziert, die Marke werde dort als der “Bewegung” zugehörig anerkannt.
“Wir planen Aufsehen erregenden Protest gegen den Laden”, sagt André Glasmacher. Er sitzt für die Initiative auf dem Podium, will aber aus Sorge über Sabotageversuche der Rechten nicht ins Detail gehen. Den Kostenpunkt für das Projekt immerhin verrät er: 11.000 Euro. Am Rande der Veranstaltung ist zu hören, dass es sich bei dem Projekt um einen Container handele, der vor der Volksbühne aufgestellt werden soll. Er würde Raum bieten für eine Informationsausstellung und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Problem.
Die Bürgerinitiative ist gut vernetzt. Sie lässt sich vom MBR beraten und knüpft Kontakte zur Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie arbeitet mit dem Bezirksamt zusammen und plant eine Plakataktion. Dafür gibt es vom Bezirksbürgermeister, der Polizei und der MBR viel Lob.
Verunsichert und besorgt sind viele Anwohner trotzdem. Eine junge Frau erkundigt sich, was gegen die Kameras zu tun sei, die den Bereich vor dem “Tönsberg” filmen. Glasmacher berichtet von einer engagierten Ladenbetreiberin, deren Geschäft von einigen “Schränken” besucht worden sei. Schweigend hätten die sich umgesehen, um dann beim Rausgehen zu sagen: “So, so, hier sind sie also gegen Nazis.” Dem Wirt des österreichischen Restaurants “Kürbis” in der Rosa-Luxemburg-Straße ist die Aufmerksamkeit der Medien nicht ganz geheuer: “Hört doch auf, für diesen Laden Werbung zu machen!” Das sehen die meisten Anwesenden jedoch anders. Ein bisschen Publicity könne nicht schaden.
Auch ein gehöriges Maß an Verärgerung ist zu spüren. Anwohner wollen wissen, wieso sich der Vermieter nicht besser informiert habe, wen er sich da ins Haus hole. Dessen Anwalt versichert, man tue alles dafür, das Mietverhältnis rasch zu beenden.
“Angst hab ich keine”, sagt eine werdende Mutter, die wenige Häuser von dem Laden entfernt wohnt. “Es kotzt mich einfach nur an.”
(Georg Fahrion)