Nach einer Pressemitteilung der Antifa Hohenschönhausen (AH) vom Montag dürfte der Haussegen im Sportjugendclub allerdings schiefhängen. »Organisierte und gewalttätige Rechtsextreme« würden »die Freizeitangebote des Sportjugendclubs für ihre Zwecke nutzen«, hieß es in der Erklärung. AH-Sprecher Thomas Rottner ergänzte im jW-Gespräch, daß fast »die gesamte Bande der äußerst gewalttätig auftretenden ›Kameradschaft Tor‹ in Kampfsportkurse des Clubs eingebunden« gewesen sei. Diese Organisation hatte Berlins Innensenat 2006 zwar verboten, zahlreiche Mitglieder sind heute jedoch bei der Neonazigruppe »Freie Kräfte Berlin« aktiv.
Auch nach der öffentliche Debatte um rechte Gewalt in Lichtenberg im Zuge des Verbots der »Kameradschaft Tor« lief im Sportjugendclub alles weiter wie gehabt: Bis vor wenigen Wochen soll strammen Neonazis sogar eine Sporthalle des Clubs zur Verfügung gestanden haben, in der sich die Rechten in Eigenregie paramilitärisch geschult haben sollen. Auch der Kameradschaftsaktivist Lars W., aktiv bei den »Freien Kräften« und an mehreren Übergriffen auf linke Jugendliche beteiligt, soll dabeigewesen sein. Der Sportjugendclub verkauft es nun als Erfolg, der Gruppe die Schlüsselgewalt über die Turnhalle entzogen zu haben. Einer der dort beschäftigten Sozialarbeiter, Peter Steger, berichtete dem Tagesspiegel von einer kompletten Kameradschaft, die seine Halle nutzen wollte, der er eine Weile zugesehen habe – bei Handstand, Liegestütze, schriller Trillerpfeife, hartem Drill, wie vor einem Kampf. Dann habe er sie fortgeschickt. »Wer hierher kommt, muß bereit sein zu reden«, begründete Steger gegenüber der Zeitung.
An der Zusammenarbeit mit einschlägigen Lichtenberger Neonazikadern wie Lars W. und Björn W. hält der Sportjugendclub nach jW-Informationen jedoch weiterhin fest. Lars W. ist auch auf einem Foto mit Jugendlichen des Clubs zu sehen, das der Tagesspiegel gleich mitlieferte (siehe Ausriß). Die Antifa Hohenschönhausen befürchtet, daß Neonazis in dem Club auch weiterhin »Angriffe auf Menschen« trainieren. Im Gespräch mit jW bestreitet Steger, mit »rechtsextremen Führungskräften« zu arbeiten. »Einige Jugendliche seien natürlich in der rechten Szene aktiv, mehr aber auch nicht«, so der Sozialarbeiter. Heiner Brandi von der Sportjugend Berlin, in dessen Trägerschaft der Sportjugendclub steht, erklärte immerhin, man werde »den Sachverhalt prüfen«. Er warnte aber vor »überstürzter Kritik« an Projekten, die mit rechten Jugendlichen arbeiten. »Um etwas zu ändern, muß man sich mit diesen Leuten direkt auseinandersetzen«.
Dies sieht auch Esther Lehnert von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) so und ergänzte im jW-Gespräch, daß Sozialarbeit mit rechten Jugendlichen dennoch anders aussehen kann: »Treptow-Köpenick ist ein gutes Beispiel für die Einführung von transparenten und überprüfbaren Standards für die Arbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen«, so Lehnert. Zusätzlich sei es wichtig, »insbesondere vor dem Hintergrund der extrem maskulinen Erscheinungsformen, Werte und Normen rechtsextremer Jugendkulturen und wissenschaftlicher Befunde, geschlechterreflektierende Ansätze in die Konzepte für die Arbeit mit diesen Jugendlichen aufzunehmen«.
Der Lichtenberger Jugendstadtrat Michael Räßler-Wolff (Die Linke) stellte sich unterdessen hinter die Lichtenberger Einrichtung. Gegenüber jW sagte er, daß es eine Übereinstimmung zwischen dem Sportjugendclub und dem Bezirk gebe, »die eine Kooperation mit Neonazikadern ausschließt«. Für ihn bestehe »kein Zweifel, daß sich die Verantwortlichen im Club daran halten«. Nach jW-Redaktionsschluß am Dienstag abend waren die Ereignisse um den Sportjugendclub im Jugendhilfeausschuß des Bezirks Thema.
(Lothar Bassermann)