Der bunte und friedliche Demonstrationszug, der von Vertretern des “Bündnisses für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick” angeführt und von einer Trommelgruppe begleitet wurde, zog durch den Ostberliner Bezirk und auch am rechtextremen Szene-Treff “Zum Henker” vorbei. Vor dem “Henker”, der absurderweise mit einer Herzchen-Girlande geschmückt war, klärten die Redner über die Kneipe auf und riefen zum gemeinsamen Engagement gegen Rechtsextremismus im Bezirk auf.
Die Kneipe “Zum Henker“ wurde Ende Februar 2009 im Bezirk Niederschöneweide eröffnet. Dort fanden bereits verschiedene größere Treffen von Angehörigen der Berliner rechtsextremen Szene statt, an denen auch Mitglieder der kameradschaftsähnlichen Gruppierung “Frontbann 24“ und des “Nationalen Widerstands Berlin“ teilnahmen.
Seit der Eröffnung der Kneipe haben Polizei und Landeskriminalamt bereits mehrere Einsätze im “Henker” durchgeführt. Gegen drei Besucher einer Veranstaltung wird momentan wegen der Verwendung von Kennzechen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.
Der Betreiber der Kneipe wurde 2003 u.a. wegen Verbreitung verfassungswidriger Kennzeichen, Bedrohung, Beleidigung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Register Treptow-Köpenick, das rechtsextreme Vorfälle im Bezirk auswertet, hat für den Zeitraum Januar bis Juni 69 Vorfälle gezählt – die meisten davon Propagandaaktionen. Auffällig war die große Zahl an NPD- und Anti-Antifa-Aufklebern im direkten Umfeld des “Henkers”.
Im Bezirk hatte außerdem die NPD massiv für den Wahlkampf plakatiert – die rechtsextreme Partei hat ihren Bundessitz im Bezirk Treptow-Köpenick. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt tritt im Bezirk als Direktkandidat an.
Doch auch der Protest gegen den Szene-Treff formiert ich bereits, seitdem der “Henker” eröffnet hat. So verteilten Mitglieder verschiedener demokratischer Parteien sowie besorgte Bürgerinnen und Bürger aus Treptow-Köpenick Flugblätter, die über den rechtsextremen Treffpunkt informierten und die Anwohner und ermutigen sollten, sich gegen die demokratiefeindliche Entwicklung in ihrem Kiez zu engagieren.
Während der Demonstration und während des darauffolgenden “5. Festes für Demokratie und Toleranz – gegen Angsträume versuchte die rechtsextreme Szene von Anfang an, Präsenz zu zeigen. So begleitete der rechtsextreme Aktivist Sebastian Sch. auf dem Fahrrad den Demo-Umzug und versuchte auch später in die Nähe des Festes zu gelangen.
Auch rund 20 Angehörige des “Frontbann 24” versammelten sich nach der Demonstration vor einem Einkaufszentrum in der Nähe des “Festes für Demokratie”. Sie erhielten daraufhin Platzverweise von der Polizei. Danach versuchten einzelne Neonazi-Kader auf das Fest zu gelangen oder beobachteten es aus der Ferne. Zwischenfälle soll es laut Veranstalter aber nicht gegeben haben.
Der Umzug und das “5. Interkulturelle Fest für Demokratie und Toleranz – gegen Angsträume” waren ein weiterer wichtiger Teil des Engagements gegen Rechtsextremismus im Bezirk. Aufgerufen hatte unter anderem das “Bündnis für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick”, in dem sich viele Vereine, demokratische Parteien und Einzelpersonen aus dem Bezirk seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus einsetzen. Das Bündnis wird von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin beraten.
Am Bahnhof Schöneweide wird gefeiert, weil dieser für Migrant/innen, alternative Jugendliche, Schwule und Lesben sowie Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren oder als “nicht deutsch” wahrgenommen werden einen “Angstraum” darstellt, den sie nur mit einem unguten Gefühl betreten. Das Fest soll symbolisch und konkret zeigen, dass die große Mehrheit der Treptow-Köpenicker Bürgerinnen und Bürger für ein demokratisches und buntes Miteinander eintreten und sich mit den potentiellen Opfergruppen rechtsextremer Gewalt solidarisieren.
Tatsächlich sind es mehrere hundert Besucherinnen und Besucher, die sich auf dem “5. Fest für Demokratie und Toleranz – gegen Angsträume” an Ständen über die Arbeit von Initiativen informieren oder auf zwei Bühnen Bands, Theateraufführungen oder Tanz-Gruppen aus dem Bezirk zusehen. Kinder konnten eine Hüpfburg, Bastelstände und Spielangebote nutzen. Neonazis wagten dann nur noch vereinzelt einen Blick aus dem benachbarten Einkaufszentrum auf die Veranstaltung.
Nachmittags fand ein Polit-Talk mit Direktkandidaten aus dem Bezirk Treptow-Köpenick der FDP, SPD, der Linken und der Grünen statt. Die CDU wurde vom Ortsvorsitzenden des Bezirks Treptow-Köpenick vertreten. “Nazis sind gefährlich, die bieten Selbstvertrauen zum Nulltarif! Dem müssen wir attraktive Angebote entgegensetzen”, meinte etwa Gregor Gysi von Die Linke. Joachim Specht (CDU) betonte die Wichtigkeit des Engagements: Wo Nazis meinten, auftreten zu können, müssten sich Demokraten ihrem Treiben in den Weg stellen. Helmut Königshaus von der FDP pflichtete ihm: “Auch wenn wir in vielem verschiedener Meinung sind, aber wenn es gegen Rechtsextremismus geht, müssen alle Demokraten gemeinsam aktiv werden.” Kajo Wasserhövel (SPD) lobte das Engagement vieler Demokraten im Bezirk und forderte, dass die Finanzierung von Projekten gegen Rechtsextremismus nachhaltig gesichert werden müsse. Peter Groos von den Grünen betonte die Wichtigkeit, gerade der jungen Generation die Demokratie nahe zu bringen und demokratisches Engagement zu loben.
Bleibt den Aktiven vor Ort zu hoffen, dass ihr Engagement tatsächlich nachhaltige Unterstützung erfährt.
(Joachim Wolf und Simone Rafael)