Hilfestellung für die Prävention aber auch Intervention insbesondere in der Jugendarbeit bietet eine Broschüre, die die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, MBR, herausgegeben hat.
Auf den 120 Seiten der „Handreichung zur Rechtsextremismus-Prävention und -Intervention in der Jugendarbeit“ werden viele Hintergrundinformationen, aber vor allem auch konkrete Tipps und Empfehlungen für in der Praxis auftauchende Probleme gegeben. Die Broschüre richtet sich an Jugendarbeit, Kommunalpolitik und Verwaltung. Wir sprachen mit Dr. Esther Lehnert von der MBR www.mbr-berlin.de über die vielfältigen Bezüge zum Fußball.
Was können Funktionäre und Ehrenamtliche in Fußballvereinen oder MitarbeiterInnen der Fan-Projekte aus der Broschüre des MBR mitnehmen?
Esther Lehnert: Ein wichtiger Punkt in unserer Handreichung, der auch den Fußball betrifft, ist die Modernisierung der rechtsextremen Szene. Es haben in den letzten Jahren große Veränderungen stattgefunden, mit denen man sich auseinandersetzen muss, um zu verstehen, was Jugendliche daran „fasziniert“. Neben dem Aufgreifen aktueller gesellschaftlicher Fragen und Probleme gehören die veränderten Erscheinungsformen dazu. Indessen gibt es rechtsextreme Erlebniswelten und einen rechtsextremen Lifestyle, dem man auch im Stadion begegnet. Früher war es wesentlich einfacher, Angehörige der rechtsextremen Szene auch äußerlich zu erkennen. Es gab eine Art Monokultur, also vor allem die rechtsextremen Skins mit Glatze und Bomberjacken. Die gibt es heute auch noch, aber daneben haben sich die Erscheinungsformen ausdifferenziert und teilweise auch an links-alternativen Dresscodes orientiert. Schwarze Kapuzenpullis und Basecaps werden auch in der rechten Szene getragen, ein Che-Guevara-Bild steht für nationalen Befreiungskampf und ein Pali-Tuch steht gegen Israel. Das ist häufig sehr schwer zu erkennen, noch schwerer wird es dann, wenn es um Mädchen oder Frauen geht. Die Leute in der Jugendarbeit müssen aber wissen, mit wem habe ich es überhaupt zu tun, sie müssen die Codes lesen können. Unsere Broschüre hat auch einen ausführlichen Bildteil, der da sehr hilfreich ist.
Und wer sind die Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die die Zielgruppe dieser Arbeit ausmachen?
Wir betonen immer, dass das Problem nicht so sehr die organisierten Gruppen sind, die Minderheit mit einem gefestigten rechtsextremen Weltbild, sondern die große Mehrheit, die bereit ist, rassistische, antisemitische, aber auch sexistische Positionen einzunehmen. Das ist etwas, was zunehmend in der Mitte der Gesellschaft stattfindet, bestimmte Themen und Meinungen werden salonfähig, und das gilt dann auch in der Jugendkultur, wo etwa Sexismus Homophobie aber auch Nationalismus und Rassismus wichtige Elemente in verschiedenen Musikrichtungen sind. Hier muss Jugendarbeit ansetzen. Kader und AktivistInnen der organisierten rechtsextremen Szene sind pädagogisch nicht mehr erreichbar. Hierbei handelt es sich um eine Verschwendung von Ressourcen. Im ungünstigen Fall kann es Kadern und AktivistInnen auch gelingen, die Angebote von Fanprojekt-MitarbeiterInnen zu instrumentalisieren. Für diese Leute sind entweder Polizei und Justiz zuständig oder aber die Angebote der Aussteigerprogramme.
Sie haben jetzt Musik als Beispiel genannt, wie sieht denn die Verbindung zwischen Fußball und Rechtsextremismus aus?
Da komme ich gleich zu einem anderen wichtigen Punkt in unserer Broschüre, nämlich geschlechterreflektierende Jugendarbeit, die ich für absolut unabdingbar halte, gerade auch in der Fußballszene. Es gibt bei jungen Männern und jungen Frauen sehr unterschiedlich gelagerte Gründe für die Hinwendung zur rechtsextremen Szene, die in der Präventionsarbeit beachtet werden müssen. Wir beobachten, dass hier der Faktor Geschlecht eine wichtige Rolle spielt, insofern als spezielle Männlichkeitsvorstellungen und insbesondere der Erhalt einer Vorstellung von „wahrer Männlichkeit“ im Rechtsextremismus sehr zentral ist. Und da besteht natürlich eine große Anschlussfähigkeit an die Geschlechterbilder in der Fußballfanszene, wo Sexismus und Homophobie geradezu unabdingbar sind. Das lässt sich also gut miteinander kombinieren, und deswegen braucht es da besondere Aufmerksamkeit. In den sozialpädagogischen Fan-Projekten etwa sollte die Geschlechterreflektion nicht nur in der Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen, sondern gerade auch in der Arbeit mit den jungen Männern eine Rolle spielen.
In den letzten Wochen und Monaten haben immer mehr Fußballvereine bestimmte Kleidermarken – am häufigsten wird da immer das Beispiel Thor Steinar genannt – in ihren Stadien verboten. Was halten Sie von diesen Verboten?
Generell finde ich das gut. In den Diskussionsforen heißt es dann ja häufiger, dass hier das Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten wird, aber dazu kann ich nur sagen, Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Landser- oder Thor-Steinar-Kleidung ist in ganz bestimmten Läden erhältlich, steht explizit für einen rechten Lifestyle und ist mitverantwortlich dafür, dass der in den Mainstream Eingang gefunden hat. Auch wenn natürlich nicht jeder in dieser Kleidung eine rechtsextreme Einstellung hat, ist es wichtig zu signalisieren: Das sind nicht einfach nur Klamotten, sondern das steht für etwas. Und die Vereine sagen mit diesen Verboten ganz klar „Das wollen wir nicht“, das ist auch eine Botschaft an diejenigen, die das eben nicht tragen, in der Fankurven ebenso wie im Fanblock. Für sie verändert sich die Atmosphäre spürbar, wenn sie nicht die ganze Zeit im Stadion von Landser-, Masterrace- oder Thor-Steinar-Pullis umgeben sind.
Inwieweit diese Verbote pädagogische Effekte haben, ist eine andere Frage. Da ist es auch wichtig, so vorzugehen wie der FC Carl Zeiss Jena das gemacht hat, also eine Aufstellung mit Erläuterungen herauszugeben, die auch aktualisiert werden. Die Akteure in einem Feld wie dem Fußball haben unterschiedliche Möglichkeiten, sich zu positionieren, und sollten auch danach handeln. In der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin beraten wir ja vor allem auch Kommunen, für die wir zum Beispiel eine Sportstättenordnung mit Antidiskriminierungsparagraphen entworfen haben. Das Problem verschwindet durch solche Paragraphen natürlich nicht, man darf nicht dabei stehen bleiben, sondern muss dann weitere Handlungsmöglichkeiten entwickeln.