Bianca Klose ist Leiterin des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus (MBR) in Berlin
jw: Im September 2006 gelang mehreren NPD-Kandidaten der Einzug in Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVV), zum Beispiel in Neukölln und Lichtenberg. Welche Erfahrung gibt es seitdem mit den rechten Abgeordneten?
Bianca Klose: Nach 100 Tagen Beobachtungsphase stimmen sie sich inzwischen strategisch ab und stellen bezirksübergreifende Anträge, so zum Beispiel über die Festlegung auf Deutsch als alleinige Amtssprache. Des weiteren scheinen sie eine Rollenaufteilung vereinbart zu haben, um sich sowohl als wahre, provokante, nationale Opposition für die Kameradschaftsszene darzustellen als auch das bürgernahe, pragmatischere Spektrum abzudecken. Der ideologische Hintergrund mancher Anträge ist nicht immer sofort erkennbar. Merkmal ist aber: Ob sich die NPD um die Unterstützung für Ältere oder für Kinder kümmert, ihr Bemühen gilt nur den Deutschen. Die Familie gilt als Kern zum Erhalt des Volkes. Das aktuelle Aktionsprogramm der NPD hat eine deutlich nationalsozialistische Stoßrichtung.
Ihr Mobiles Beratungsteam berät die Fraktionen der anderen Parteien. Was machen Sie konkret?
Wir beobachten das Geschehen in den BVV genau und stehen in engem Informationsaustausch mit den restlichen Fraktionen. Die Situation, daß Rechtsextreme in Berlin Mandatsträger sind, ist sowohl für die NPD als auch für die demokratischen Parteien neu. Daher nutzen wir die Erfahrungen anderer Beratungsstellen, zum Beispiel in Sachsen, wo die Neonazis schon länger in Parlamenten vertreten sind.
Werden Mitarbeiter der Beratungsteams von Neonazis bedroht?
Wir werden als politischer Feind betrachtet und provoziert. Das reicht von Anfragen in kommunalen Gremien über die Finanzierung unserer Initiativen gegen Rechtsextremismus bis zu polemischen Besprechungen unserer Publikationen auf einschlägigen Internetseiten. Wir, als Mitarbeiter einer öffentlichen Institution, stehen aber weitaus weniger in der Gefahr körperlicher Attacken als viele Leute vor Ort.
Ende 2006 war die Zukunft der Beratungsteams ungewiß, da die Anschubfinanzierung durch das Bundesprojekt »Civitas« auslief und der Bund die Verantwortung auf die Länder übertragen wollte. Dann wurde das Programm doch um ein halbes Jahr verlängert. Wie ist der aktuelle Diskussionsstand?
Entgegen unserer Hoffnung, die existierende Struktur aus Mobiler Beratung, Opferberatung und Netzwerkstellen in den Bezirken konsolidieren zu können, sieht das aktuelle Konzept aus dem Bundesfamilienministerium nun einen anderen Schwerpunkt vor. Bei dem neuen Programm »Jugend für Vielfalt und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus« steht die Krisenintervention im Vordergrund, zum Beispiel bei einem Neonaziaufmarsch. Die neu zu gründenden Landeskoordinierungsstellen laden dann zu einer Expertenrunde, an der zum Beispiel Vertreter der Polizei und Wissenschaftler teilnehmen.
Welche Auswirkungen hätte diese Umstrukturierung?
Nach öffentlicher Kritik wurden die mobilen und Opferberatungen, die zunächst ganz rausgefallen waren, wieder in das Konzept aufgenommen. Dennoch bleibt die neue Struktur künstlich und realitätsfern. Nach fünf Jahren Arbeit haben wir viele Kontakte und Partner, wie zum Beispiel Rechtsanwälte, die Mustermietverträge entworfen haben, um das Anmieten von Räumen durch Rechte verhindern zu können. Menschen kennen unsere Arbeit, die vor allem auf Prävention zielt. All dies ginge verloren, wenn die Arbeit auf kurzzeitige Interventionen verkürzt würde. Rassismus und Antisemitismus sind breite Phänomene, denen im Alltag entgegengewirkt werden muß.
Halten Sie das NPD-Verbot für ein geeignetes Mittel, um gegen Neofaschismus vorzugehen?
Die Politik muß vermitteln, daß das Verbot aus formellen Gründen gescheitert ist und nicht, weil die NPD eine demokratische Partei ist. Sie ist verfassungsfeindlich, antisemitisch und rassistisch. Generell darf die Arbeit gegen Rechtsextremismus aber kein konjunkturelles Thema sein. Nur ein Maßnahmenbündel aus Prävention, Intervention und Repression kann Wirkung zeigen. Zudem müssen Bürger lernen, Zivilcourage zu üben.
(Das Gespräch führte Markus Stieger)