Neues Deutschland (27.02.2006)

Das mulmige Gefühl soll verschwinden – die Angst, den Tunnel zu benutzen. Denn die rund 30 Meter lange Unterführung zum Bahnhof Schöneweide erzeugt bei vielen, die sie täglich benutzen, Furcht. „Mir ist oft bange in dem zugigen Durchgang, und ich bin froh, wenn ich wieder draußen bin“, sagt Sophie Krause. Die 15-jährige Schülerin kennt aber auch Jugendliche, die diesen Weg meiden, weil sie anders aussehen als andere und deshalb angepöbelt werden. Immer wieder kam es dort und auf dem Bahnhofsgelände in den vergangenen Jahren zu rechtsextremen Übergriffen.

Das wollen Anwohner nicht hinnehmen. Deshalb haben sie gemeinsam mit dem Bezirksamt Treptow-Köpenick, dem „Runden Tisch Johannisthal“ und der Arbeitsgruppe „Angstraum Bahnhof Schöneweide“ einen Kunstwettbewerb an Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen ausgeschrieben. 31 Arbeiten wurden unter dem Motto: „Gegen Rechtsextremismus – für Demokratie“ eingereicht und jetzt öffentlich präsentiert. „Die Jury ist vom Ideenreichtum und der Qualität der Beiträge begeistert“, sagte Treptow-Köpenicks Kulturstadträtin Eva Mendl (Linkspartei.PDS).

Im März sollen die 17 ausgewählten Kunstwerke an die Tunnelwände gesprüht werden. Auf der einen Seite eine Art Fries, entwickelt von Jugendlichen des Oberstufenzentrums (OSZ) Holztechnik.

Gegenüber kommen Graffiti, gestaltet von Oberschülern, an die Wand. „Wir sind gegen rechte Gewalt und wollen ein Zeichen setzen“, betonte Judith Ihden vom OSZ. Die ganze Klasse habe das breite Panorama entwickelt. Es verdeutlicht die Reise vom Nordpol zum Paradies: Zu sehen sind fünf aneinander gereihte Bilder: Ein Eskimo, der einen weiten Weg vor sich hat, eine Wüstenlandschaft mit einem Straßenschild, auf dem „Gerechtigkeit“ steht, gefolgt von einem Auto, in dem Angehörige dreier unterschiedlicher Religionen gemeinsam unterwegs sind. Sie treffen auf „Justitia“, und dahinter beginnt das Paradies. Noch ist es menschenleer, deshalb unterbreitete die Jury den Vorschlag, es zu bevölkern: beispielsweise mit den Zeichnungen von Sophie Krause, die ein Baby mit dem Satz „Am Anfang sind wir alle gleich“ porträtierte.

Die andere Tunnelwand wird mit der Silhouette Berlins versehen, darauf werden unterschiedliche Schriftzüge wie „Gemeinsam gegen Rechts“ oder „Wir reichen dir die Hand“ angebracht. Auch die Arbeit des 14-jährigen Nico Krumpholz wählte die Jury aus: das Wort „Rassist“, das viele kleine Männchen unterschiedlicher Herkunft zerhacken.
In den nächsten Wochen wollen die Schüler gemeinsam mit den Wettbewerbsinitiatoren und Graffitisprayern die Umsetzung der Zeichnungen beraten. Schon jetzt steht fest, dass einige Kunstwerke, die nicht in den Tunnel kommen, künftig auf Plakaten oder T-Shirts zu sehen sind.

(Steffi Bey)

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