Am östlichen Ortsausgang von Eberswalde liegt seit fünf Jahren der „Army-Shop“. Im Gewerbegebiet zwischen Getränkegroßhandel, Tankstelle, Supermarkt und Rettungsdienst, dort wo jeden Tag hunderte Autos vorbeifahren, fällt nicht auf, wer dort ein und aus geht. Dabei wäre es angebracht, einen genauen Blick darauf zu werfen. Gordon Reinholz, politischer Ziehsohn des NPD Landesvorsitzenden in Thüringen, Frank Schwerdt, und bundesweit bekannter Neonazi, betreibt den Laden. Im Angebot befinden sich unverdächtige Artikel, wie sie von Anglern oder Campern nachgefragt werden. Aber auch die in der Neonaziszene beliebte Kleidermarke Thor Steinar wird dort zum Verkauf angeboten. An der Fassade des Ladens wirbt Reinholz zudem für seinen „nationalen Versandhandel“ und einen Textildruck. Seit Jahren konnte sich der Laden abseits der Öffentlichkeit zur Anlaufstelle von Neonazis aus Eberswalde und ganz Brandenburg entwickeln.
Strafrechtliche Handhabe nicht möglich
„Uns ist bekannt, dass der Ladenbesitzer der rechtsextremen Szene nahe steht. Auch das von dort aus die rechtsextreme Szene mit allen möglichen szenetypischen Waren beliefert wird“, bestätigt Kai Jahns von der Koordinierungsstelle für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit der Stadt Eberswalde. Für die Stadt sei es nicht geboten gegen den Laden vorzugehen. 2007 wurde bereits bei einer Hausdurchsuchung Propagandamaterial von der Polizei sicher gestellt. Seitdem besteht für die Polizei kein konkreter Handlungsbedarf mehr. Die dort angebotenen Waren liegen „unterhalb der Schwelle der strafrechtlichen Relevanz“, bestätigt Youssef El-Saghir, der Polizeichef in Eberswalde. Margitta Mächtig (Die Linke), Landtagsabgeordnete für den Kreis Barnim, schätzt den Laden jedoch nicht so harmlos ein und verlangt ein stärkeres Engagement des Brandenburger Verfassungsschutzes: „Ich bedaure außerordentlich, dass der Verfassungsschutz seine Aufgaben nicht wahrnimmt und Ermittlungen gegen die dortigen Aktivitäten anstrengt.“
Allerdings liegen die Probleme nicht nur im strafrechtlich relevanten Bereich. Die dort angebotene Kleidung dient der rechtsextremen Szene als Identifikationsmerkmal. Über Symbole und Kennzeichen können sich Gleichgesinnte erkennen. Zugleich zeigen Neonazis in der Stadt Präsenz. Politische Gegner und Demokraten sollen eingeschüchtert werden. Darüber hinaus wirken solche Läden in den politischen Raum hinein. Sie sind Treffpunkte und Anlaufstelle für die Neonazis aus der Region. Interessierten und unbedarften Jugendlichen eröffnet sich hier die Möglichkeit eines leichten Einstiegs in die Szene. Aber auch für die Verbreitung von Musik spielen diese Läden eine Rolle. Konzerttermine werden hier weitergegeben oder die neueste CD der einschlägig bekannten Neonaziband kann unter dem Ladentisch erworben werden. Das jahrelange, unbehelligte Agieren stärkt das Selbstbewusstsein der Szene. Es ist eine Normalisierung eingetreten. Auch Menschen, die sich des Hintergrundes nicht bewusst sind, kaufen dort gelegentlich ein.
Was kann getan werden?
Um dies zu vermeiden, ist eine breite öffentliche Auseinandersetzung notwendig. Diese bleibt in Eberswalde bislang aus. „Als der Laden eröffnete gab es keinen öffentlichen Aufschrei. Die Leute haben auch nichts bemerkt“, weiß Florian Görner, der sich seit langem gegen Rechtsextremismus in Eberswalde im Jugendbündnis FETE engagiert. „Wenn in Berlin so ein Laden eröffnet, würde der keine zwei Wochen durchhalten“, so Görner weiter. Hier sind die Eberswalderinnen und Eberswalder gefragt. „Das Engagement muss von den Bürgern ausgehen. Die Stadt kann so eine Aktion allein nicht stemmen“, bestätigt auch Kai Jahns.
Die Auseinandersetzung kann sich oft über Jahre hinziehen, wie Beispiele aus anderen Städten zeigen. Neben Privatpersonen und Initiativen gegen Rechtsextremismus ist dabei auch die kommunale Verwaltung gefragt. In Berlin ist gerade eine Broschüre erschienen, die sich mit den Handlungsmöglichkeiten der beteiligten Akteure beschäftigt. „Besonders gut kann man reagieren, bevor eine Anmietung erfolgt“, weiß Anne Benzing, Fachreferentin von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, Herausgeberin der Broschüre. „In Eberswalde ist das Problem, dass der Laden sich über einen so langen Zeitraum dort etabliert hat“, so Benzing weiter. Die Verwaltung ist aber nicht machtlos. Sie kann den Vermieter informieren und somit auf eine Kündigung hinwirken. Wichtig sei, dass das Geschäft öffentlich problematisiert werde. Die Verwaltung kann darüber hinaus zivilgesellschaftliche Akteure vor Ort unterstützen, indem sie einen direkten Ansprechpartner im Rathaus bereit stellt, Sondergenehmigungen erteilt oder logistische Hilfe anbietet. Der Bürgermeister sollte sich auf Demonstration zeigen und die Schirmherrschaft von Initiativen übernehmen. Ein weiterer möglicher Schritt ist die Sensibilisierung des Verwaltungspersonals durch Schulungen. Die öffentliche Diskussion muss in die Parteien, Vereine, sowie den Stadt- und Kreistag getragen werden.
Auseinandersetzungen andernorts
Dass eine aktive Stadtverwaltung zum Gelingen der Maßnahmen beitragen kann, zeigt das Beispiel Magdeburg. Als dort das Bekleidungsgeschäft “Narvik” 2007 an prominenter Stelle in der Innenstadt eröffnete, regte sich Protest. Es bildete sich ein breites Bündnis aus Kirchengemeinden, lokalen Initiativen und Parteien. Diese organisierten Veranstaltungen, die über die rechtsextreme Symbolik informierten, Mahnwachen und Demonstrationen wurden abgehalten. Die Öffentlichkeit wurde ständig über aktuelle Vorgänge informiert. Der Vermieter sprach daraufhin eine Kündigung aus und machte dabei arglistige Täuschung geltend. Der Ladenbesitzer habe den Vermieter nicht über das umstrittene Ladenangebot informiert. Der Fall beschäftigte mehrere Gerichte. Nach über einem Jahr der intensiven Auseinandersetzung bekam der Vermieter vor dem Oberverwaltungsgericht recht. Der Betreiber des Ladens musste sein Geschäft räumen.
Auch im Moment werden Auseinandersetzungen geführt. In Berlin fordert ein breites Bündnis aus engagierten Bürgerinnen und Bürgern, sowie Vertretern aus Kommunal- und Landespolitik die Schließung der dortigen Thor Steinar Läden. Am Samstag, den 25. Februar, findet in Berlin eine Demonstration gegen den Laden „Tromsö“ statt. Das seit 15 Jahre bestehende Geschäft „Harakiri“ musste in Berlin erst jüngst seinen Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen einstellen. In Eberswalde muss diese Diskussion erst noch geführt werden. Dabei ist Rechtsextremismus schon länger in Eberswalde ein bekanntes Problem und die Stadt reagierte darauf in der letzten Zeit durchaus sensibel. In Eberswalde wurde Amadeu Antonio Kiowa, der Namensgeber der Amadeu Antonio Stiftung, am 24. November 1990 von einem Mob rassistischer Jugendlicher zu Tode geprügelt. Diese Tat löste bundesweit Bestürzung aus. Im kollektiven Gedächtnis ist Kiowa als erstes Todesopfer rechtsextremer Gewalt nach der Wiedervereinigung eingegangen. In der Stadt hat sich in den rund 20 Jahren nach dem Tod Amadeu Antonios einiges bewegt. Vielleicht schließt auch das Bekleidungsgeschäft am Ortsausgang mit Hilfe der Stadt rechtzeitig zum 20. Todestag von Amadeu Antonio.
(Christian Spiegelberg)