heute.de: Frau Klose, wie bewerten Sie den neuen Anlauf beim NPD-Verbot?
Bianca Klose: Es ist dringend nötig, die NPD zu verbieten, weil sie zutiefst antisemitisch, rassistisch und rechtsextrem ist. Aber ich habe bei dieser reflexartig geführten Debatte immer die Befürchtung, dass dies als innenpolitische Nebelkerze den Blick auf die eigentlichen Probleme verstellen könnte. Die Behörden wollen nach dem staatlichen Versagen im Zusammenhang mit den NSU-Morden nun mittels NPD-Verbot ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Es ist jedoch wichtig, dass die weite Verbreitung von rassistischen Einstellungen innerhalb der Bevölkerung auch jenseits der NPD in den Fokus gerückt wird.
Der Umgang mit dem gesellschaftlichen Problem des Rechtsextremismus darf nicht an den Staat delegiert werden. Alle Bürgerinnen und Bürger sind in der Verantwortung, sich im Alltag einzumischen, Rassismus entgegenzutreten und sich mit den Opfern zu solidarisieren. Ein NPD-Verbot ist kein Allheilmittel im Kampf gegen Rechtsextremismus. Das darf nicht aus dem Blick verloren werden.
heute.de: Initiativen wie Ihre beklagen fehlende Anerkennung und finanzielle Unterstützung. Was sind die Probleme?
Klose: Wir brauchen eine Förderung jener Projekte und Konzepte, die sich in den vergangen Jahren als erfolgreich herausgestellt haben und Planungssicherheit für jene Menschen, die sich tagtäglich für eine gelebte demokratische Kultur einsetzen und sich bei ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus zum Teil auch Gefahren und Bedrohungen aussetzen. Diese Menschen brauchen ausreichend Geld, um weiterarbeiten zu können und Projekte wie unseres brauchen vor allem die Unterstützung durch den Bund und die Länder. Derzeit beobachten wir jedoch genau das Gegenteil: Statt Anerkennung ernten wir für unsere Arbeit Misstrauen, etwa durch die 2011 in Kraft getretene sogenannte “Extremismusklausel” des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ).
heute.de: Diese Klausel soll Bundesmittel für Projekte wie Ihres nur gewähren, wenn sich diese zur demokratischen Grundordnung bekennen und dafür sorgen, dass auch Ihre Partner den Zielen des Grundgesetzes verpflichtet sind. Warum kritisieren Sie das?
Klose: Die Klausel besteht aus verschiedenen Teilen. Der erste verlangt das Bekenntnis zum Grundgesetz und diesen Teil habe ich unterschrieben. Wenngleich ich nicht verstanden habe, warum ausgerechnet wir als Projekte, die Menschen im Alltag dabei unterstützen, demokratisch aktiv zu werden, einem Generalverdacht ausgesetzt werden. Das fand das BMFSFJ nicht ausreichend.
Stattdessen wurde auf Satz zwei und drei der Erkärung verwiesen, für die ich meine Unterschrift verweigert habe. Denn dies hätte bedeutet, dass wir unsere Partner/innen auf deren Verfassungstreue hin hätten durchleuchten müssen. Ich empfinde es jedoch als antidemokratisch, einen Gesinnungs-Check bei jenen Menschen vollziehen zu müssen, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus engagieren möchten und mit denen wir in Berlin seit Jahren vertrauensvoll und erfolgreich zusammenarbeiten.
heute.de: Welche Maßnahmen sollten beim Kampf gegen rechts ergriffen werden?
Klose: Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus bedarf eines langen Atems. Momentan ist es wichtig, dass die lückenlose Aufklärung der NSU-Morde praktische Konsequenzen hat, etwa mit Blick auf die Unterlassungen der Strafverfolgungsbehörden in der Vergangenheit. Darüber hinaus sollten Bürger ermuntert werden, ein Verständnis dafür zu bekommen, dass die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nicht ausschließlich an den Staat und die Politik zu delegieren ist. Denn jeder von uns kann sich im Alltag deutlich positionieren gegenüber rassistischen Sprüchen am Arbeitsplatz oder antisemitischer Hetze auf dem Sportplatz.
Zum anderen müssen staatliche Institutionen wie Sicherheitsbehörden die zivilgesellschaftliche Expertise von Projekten, die seit Jahren die rechtextremistische Szene beobachten, ernstnehmen und unserem Erfahrungsschatz und unserer Analyse angemessen Gehör verschaffen.
Infobox: Zur Person
Bianca Klose gründete 2001 die Mobile Beratung gegen Rechts-extremismus Berlin. Die Initiative will zivilgesell-schaftliche Kräfte im Kampf gegen Rechts-extremismus, Rassismus und Antisemitismus unterstützen. Insgesamt neun Mitarbeiter beraten Jugendeinrichtungen, Schulen, Vereine, Kommunal- und Landespolitik und widmen sich zudem Bürgeranfragen.
Infobox: “Extremismusklausel” – ein Auszug
“Hiermit bestätigen wir, dass wir uns zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten.Als Träger der geförderten Maßnahme haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten (Literatur, Kontakte zu anderen Trägern, Referenzen, die jährlichen Verfassungsschutz-berichte des Bundes und der Länder etc.) und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls zu den Zielen des Grundgesetzes verpflichten.
Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.”
Das Interview führte Benjamin Gaul