Immer wieder schlugen Berliner Neonazis mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Spektrum der sogenannten Autonomen Nationalisten (AN) in den vergangenen Monaten zu: Sprühten Parolen, schmissen Scheiben ein oder versuchten, linke Projekte und Häuser anzuzünden. Allein zweimal brannte das Anton-Schmaus-Haus des sozialistischen Jugendverbandes “Die Falken” in Neukölln.
Festnahmen gelangen der Polizei im Zusammenhang mit den Taten indes keine. Wie schwer es ist, überhaupt eine Anzeige gegen die Rechtsextremisten zum Erfolg zu bringen, zeigt der Fall von Irmela Mensah-Schramm. Die Aktivistin entfernt bereits seit 1987 rassistische und neonazistische Propaganda aus dem Straßenbild. Neonazis der Kameradschaft Neukölln drohten Schramm kürzlich unverhohlen. Auf einem Aufkleber heißt es: “Wenn Schramm abkratzt, stört uns das wirklich nicht! Kameradschaft Neukölln”. Mensah-Schramm stellte Anzeige. Weil sich der Server der Nazi-Internetseite allerdings im Ausland befindet, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, sagt Mensah-Schramm. “Da könne man nichs machen”, hieß es lapidar.
Dasselbe Problem gibt es mit der zentralen Hassseite der Berliner Neonazis schlechthin: “Nationaler Widerstand Berlin” (NW-Berlin). Hier werden neben vielen anderen Linken, Antifas und Journalisten auch das Büro von Halina Wawzyniak, das Anton Schmaus Haus der Falken und ein Porträt von Irmela Mensah-Schramm aufgeführt. Dazu eine große Anzahl weiterer linker Lokalitäten. Mit dem Zusatz: “Wir hoffen diese Informationen sind für Euch im praktischen Sinne effektiv.”
Dass das keine leere Drohung ist, sondern eine reale Gefahr für Leib und Leben, zeigen die diversen Anschläge, die offenbar über die Seite koordiniert werden.
Die Berliner Linkspartei-Abgeordneten Marion Seelig und Klaus Lederer wollten nun vom rot-schwarzen Senat in einer Kleinen Anfrage im Landesparlament genauer wissen, wie der Senat gegen “NW-Berlin” vorgeht. In seiner Antwort teilte der Senat mit, dass er die Bewertung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Medien teile. Diese hatte “NW-Berlin” im April 2011 indiziert, weil die Internetseite “zum Rassenhass anreizt und die Ideologie des Nationalsozialismus propagiert”. Große Suchmaschinen führen die Seite seit der Indizierung nicht mehr auf. Wer sie sucht, wird aber dennoch fündig.
Der Senat berichtet weiter: “Es werden alle rechtlichen zulässigen Anstrengungen unternommen, den/die bekannten Betreiber zu ermitteln.” Bisher war die Staatsanwaltschaft Berlin dabei allerdings nicht erfolgreich. Da der Server in den USA steht, und die Inhalte nach US-amerikanischen Recht von der dortigen Meinungsfreiheit gedeckt sind, sei ein auf Bekanntgabe des Betreibers gerichtetes Rechtshilfeersuchen an die Justizbehörden der USA nicht erfolgsversprechend, erklärt der zuständige Justizstaatssekretär Alexander Straßmeier. Alle bisher eingeleiteten Strafverfahren wurden eingestellt, da kein Verantwortlicher bekannt ist.
Das ist in Zeiten des rechten Terrors und der NSU-Morde erstaunlich. Denn auf einem Screenshot von “NW-Berlin”, der “nd” vorliegt, heißt es in einem Artikel, der von der “Schriftführung” veröffentlich worden sein soll, und in dem es um einen Nazi-Aufmarsch in Bautzen geht: “Dann heißt es nicht Gesinnungshaft, dann heißt es Strick um den Hals oder Kugel in den Bauch!” Der Beitrag wurde wenig später gelöscht. Von Mordaufrufen ist den Berliner Behörden laut Auskunft nichts bekannt.
Doch wer steckt hinter “NW-Berlin”, schließlich ist offensichtlich, das die Inhalte hierzulande verfasst werden und nicht im Ausland. Konkrete Belege gibt es zwar nicht. Aber Indizien. “Als eine, wenn nicht gar die zentrale Person hinter ‘NW-Berlin’ gilt Sebastian Schmidtke”, sagt Frank Metzger vom Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz). Schmidtke, der Vize-Vorsitzende der Berliner NPD ist, gilt zudem als zentraler Akteur der AN. Er hat sich in der Vergangenheit häufig selbst in Zusammenhang mit der Seite gebracht: Zum Einen als als Presseverantwortlicher für Aufkleber, Beiträge und Flugblätter. Zudem Anderen trat er auf Demonstrationen und Veranstaltungen unter dem Label “NW-Berlin” auf.
Auch die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) weiß zwar nicht, wer genau “NW-Berlin” betreibt. Die Vermutungen der MBR gehen aber in dieselbe Richtung. “In einem Interview aus dem Jahre 2008 bezeichnete Sebastian Schmidtke die Seite ‘NW-Berlin’ als ‘unsere Weltnetzpräsenz’”, sagt Ulf Bünermann von der MBR.
In demselben Interview wurde überdies dazu aufgerufen, die angegebenen Telefonnummern zur Kontaktaufnahme zu nutzen. So schwer können die “NW-Berlin”-Betreiber also nicht zu finden sein, möchte man meinen.
Von Martin Kröger